Stadtrundgang über QR-Codes erinnert an Heusenstamm während der NS-Zeit „Das Verhältnis war gut“

Gisela Beez (links) hat schon 1995 mit Brigitte Fischer ein Buch über die NS-Zeit in Heusenstamm herausgegeben, das nun mit Grundlage für den Rundgang ist.

Heusenstamm – „Ich habe sie alle gekannt. Wir hatten ein gutes Verhältnis. Das waren nette Leute. Wir sind zusammen in die Schule gegangen. Sie hatten einen anderen Glauben, aber das Verhältnis war gut.“ Mit diesem und weiteren Zitaten von Heusenstammer Zeitzeugen aus dem Buch „Spurensuche: NS-Zeit in Heusenstamm“, 1990 herausgegeben von Gisela Beez und Brigitte Fischer, begann Bürgermeister Steffen Ball auf dem Kirchplatz St. Cäcilia vor dem Haus der Musik, das früher auch mal das Rathaus beherbergte, seine Rede beim Start des neuen Stadtrundgangs zum Thema „Zeit des Nationalsozialismus in Heusenstamm“.

Jeder Interessierte kann diesen Spaziergang ab sofort ohne Führung unternehmen – vorausgesetzt, man verfügt über ein Smartphone. Denn auf der Internetseite heusenstamm-ns-zeit.gweb.de werden über einen Stadtplan die Standorte sogenannter QR-Codes angezeigt. Scannt man diese mit dem Handy, erhält man detaillierte Informationen zum jeweiligen Standort.

Zum Beispiel am Haus Kirchstraße 20, in dem sich damals die Synagoge befand. Neben der Geschichte des Gebäudes, das, wie so viele andere im Land, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 verwüstet wurde, erfährt man mehr über jüdisches Leben in der Schlossstadt, kann sich Fotos ansehen und nachgesprochene Aussagen von Zeitzeugen anhören.

Insgesamt 17 Stationen umfasst der Rundgang, der freilich nicht unbedingt nach den Vorgaben verfolgt werden muss. Auch zufällig auffallende QR-Codes, die sich alle an Laternenpfählen befinden, können bei Interesse gescannt werden.

„Nur wer etwas weiß, kann auch nicht vergessen“, betonte der Bürgermeister, „und wir dürfen nicht vergessen“. „Wir dürfen nicht still sein und schweigen, wenn Rechtsextreme, Antisemiten und Rassisten ihre Stimme erheben“, mahnte Steffen Ball deutlich. Deshalb sei er sehr dankbar, dass eine zivilgesellschaftliche Projektgruppe aus Heusenstammern und dem Projekt „Demokratie leben“ diesen historischen Stadtrundgang kreiert hat.

Rund ein Jahr hat die Projektgruppe an dem Rundgang gearbeitet, berichtete Hella Rabien von der Partnerschaft für Demokratie Heusenstamm. Entstanden sei die Idee, als eine kleine Gruppe Interessierter Ende Januar 2021 unterwegs gewesen sei, um die Stolpersteine in der Stadt zu pflegen.

Impulsgeberin sei unter anderem die inzwischen verstorbene Sabine Richter-Rauch gewesen, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht habe, das Gedenken an jüdisches Leben aufrecht zu erhalten. Gemeinsam mit Brigitte Fischer und Gisela Beez habe man dann die Arbeitsgruppe gegründet.

Brigitte Fischer erinnerte daran, dass sie sich gemeinsam mit Gisela Beez vor fast 40 Jahren auf Spurensuche begeben habe und allein fünf Jahre darum gekämpft habe, bis sie endlich Dokumente des Stadtarchivs einsehen konnten.

Und Beez bemerkte, dass es zwar 16 Stolpersteine in Heusenstamm gebe, elf aber noch fehlten, jene für die Familien Ehrmann, Schönmann und Frankfurter. Auch ein Hinweis auf etwa 180 Zwangsarbeiter während der NS-Zeit gebe es bis heute nicht.

Von Claudia Bechthold