Ein Meister der Detailgenauigkeit Wolfgang Franz stellt im Heusenstammer Rathaus aus

Mit 50 Bildern bestreitet Wolfgang Franz, der Vorsitzende des Künstlervereins, erstmals allein eine Ausstellung. Die Werke sind bis zum 30. September im Heusenstammer Rathaus Im Herrgarten 1 zu sehen. Foto: Fitzenberger

Heusenstamm (schu) – Viele Jahre lang waren Heusenstammer Künstler im Parlamentssaal des Rathauses zu Gast. Als er nicht mehr zur Verfügung stand, zog der Künstlerverein ins Haus der Stadtgeschichte. Nun hat ein einziger Maler für vier Wochen die Rathausflure erobert.

Mit 50 Bildern bestreitet Wolfgang Franz, der Vorsitzende des Künstlervereins, erstmals allein eine Ausstellung. So lassen sich neue Seiten des nüchternen Rathauses gewinnen, wie Erster Stadtrat Uwe Hajdu bei der Eröffnung sagte. Für den musikalischen Schmuck der Vernissage sorgten Angelika Schaffar-Kottmann und Boris Kottmann. Das vortrefflich aufeinander eingespielte Duo trug eine Violinfassung der Cherobino-Arie „Voi che sapete“ aus Mozarts Oper „Figaros Hochzeit“ und einen Satz aus einem Haydn-Duo vor.

Appetit-Macher

Einige Aquarelle im Vorraum des Erdgeschosses machen Appetit auf die langen Bilderreihen im Flur des ersten Stocks. Hier klingen schon Lieblingsthemen des Künstlers an: Menschenbeobachtung und Zirkus. Beim „Warten im Regen“ sind weniger die Regentropfen wichtig, als die gottergebenen Gesichter der Bus-Fahrgäste. Daneben drücken allein die Rücken der „Radexperten“ ihre Müdigkeit aus. Von der Varitationsbreite der Maltechnik wird schon ein Eindruck vermittelt. Bei der weißgekleideten Artistin ist die Schwingung ihres durchsichtigen Seidentuchs perfekt getroffen. Dagegen kontrastiert ein Clownsgesicht, knallbunt, aber wohl nicht glücklich. Wo sechs Artistenhände ineinander greifen, hat man einen ersten Eindruck vom scharfen Blick des Malers und seiner Konzentration auf das Wesentliche, den Ausschnitt.

Oben im Flur darf ein banales, aber charakteristisches Motiv Venedig vertreten: am Brückenrand Pfähle mit Ankerkette, darauf sitzt ein Spatz, unter der Brücke hindurch fliegt ein Vogelschwarm. Gewissermaßen ein Schnappschuss und doch aufs Exakteste gemalt, fast eine kleine Geschichte. Kaum fassbare Größe und Weite wiederum findet ihren Ausdruck im Bild vom Petersdom. Menschen sind nur als winzige Silhouetten angedeutet. Lichtstrahlen fallen fast aggressiv auf den Marmorboden. Immer wieder haben den Maler ausdrucksvolle Hände auch in südlichen Gefilden gereizt, schwarze Hände, die Tomaten, alte faltige Finger, die Zwiebeln halten.

Viele Bilder haben eine Aussage oder feine Symbolik, nicht selten mit hintergründigem Witz. Der stark beschnittene Baum und sein Schatten zeigt „Grenzen des Wachstums“. „Totalschaden“ erkennt man nicht nur am gekenterten Schiff im Eismeer, sondern auch an den Gebirgen langsam schwindender Eismassen dahinter. Die „Gedankenbrücke“ verläuft ins Unendliche, Ungewisse. Vor dem geradezu brutalen marmornen Flussgott am römischen Trevibrunnen sitzt einsam eine schlanke Touristin - ein frappanter Gegensatz.

Franz ist nicht nur, wie er bekennt, „dem Realismus verhaftet“, sondern auch ein Meister der Detailgenauigkeit. Die bis ins Kleinste grafisch ausgeführte“Bergarbeitersiedlung“, die sich wie Bienenwaben am Berg empor reckt, bringt zum Staunen. Erst recht die fünf „Giganten“ des Braunkohlebergwerks. Die Darstellung des komplizierten Aufbaus einer Abraumförderbrücke mit Bagger lohnen fast ebenso viele Stunden eingehender Bildbetrachtung wie sie den Künstler gekostet haben. Dabei verbindet Franz fotografische Exaktheit mit raffinierter Farb- und oft verblüffender Raumgestaltung. Für zwei Giganten hat er Filzstifte gewählt, nur für Eingeweihte zu erkennen. Die Serie variiert zwischen dramatischer und surrealistischer Wirkung.

Franz kann auch zarte Aquarelle schaffen, wie einige Idylle aus Sizilien beweisen. Zirkusszenen zeigen Artisten, die in fast körperlosem Weiß in der Höhe des Zeltes schweben, bewundernswert die Raumgestaltung mit sparsamsten Mitteln. Kompakt und von opulenter Farbigkeit wiederum sind die Motive vom Meeresstrand: Mangroven, Tang, Steine, teilweise mit Netzen, die sich der Natur anpassen.

Nur zwei Bilder vertreten das Portrait. Beim kleinen „Mädchen in Mexiko“ ist der scheue Blick höchst lebendig wiedergegeben. Ein Teenager der Familie blickt kritisch in den Spiegel, und der Maler hat den kessen Bauchnabel nicht unterschlagen. Privat sind auch zwei Bilder von „Lauren mit Pferd“ -- sprechend der „Blickkontakt“ und lebensecht wie zum Streicheln der Pferdekopf.

Die Mehrzahl der Bilder, die mit viel Geschick nach thematischen oder anderen Gesichtspunkten kombiniert werden, sind Aquarelle. Ganz hinten im Flur hängen auch einige großformatige Ölgemälde. Wie unter anderem der „Urwald bei Kassel“, entbehren sie ebensowenig des einfallsreichen Witzes. Bei der Jahreszeitenserie mit Motiven der Schloss-Umgebung lässt Franz eine Gänseschar auf den Torbau zu marschieren.

Die vielfältige Schau weckte am ersten Abend rege Diskussionen und ist wirklich lohnend. Die Ausstellung kann noch bis 30. September besucht werden. Die Zeiten: Montag 8 bis 12.30 Uhr, Dienstag 8 bis 12.30 Uhr, und 14 bis 17 Uhr , Donnerstag 8 bis 12.30 Uhr und 14 bis 17 Uhr und Freitag 8 bis 12.30 Uhr.