Ein Film zur Ausstellung im Bücherbahnhof erinnert an das Inferno Als die Bomben auf Darmstadt fielen

Hans Schmidt (rechts), Jahrgang 1937, vom Arbeitskreis zeigt Besucher Eberhard Fietz eine original Uniform der Amerikaner. Sie konnten oder wollten den Angriff auf Darmstadt nicht verhindern. Foto: E. Pathe

Erzhausen (epa) – Es war Montag, der 11. September 1944. Die Uhren zeigten auf 23.55 Uhr, als der englische Luftmarschall Arthur Harris den Befehl zum Feuersturm auf Darmstadt gab.

Ziel von 234 Bombern der Royal Air Force war das Zentrum mit seiner mittelalterlichen Altstadt.

Der Angriff dauerte keine halbe Stunde und endete für die südhessische Stadt sprichwörtlich in Schutt und Asche: Mehr als 12 000 Menschen starben, 80 Prozent der Wohngebäude war zerstört, in der Innenstadt sogar 99 Prozent.

Im Rahmen der Ausstellung des ortskundlichen Arbeitskreises „Erzhausen 1945-1950“ rückten Hans Schmidt und seine Mitstreiter im Beiprogramm am vergangenen Sonntag mit dem Thema „Brandmale – die Bomben von Darmstadt“ Menschen in den Fokus, die Zeitzeugen des Infernos waren.

Zu ihnen gehört Peter Schmidt, Jahrgang 1938, heute engagierter, ehrenamtlicher Stadtrat der Grünen in Darmstadt. Er hat als Kind den Luftangriff erlebt – und überlebt. Er erinnert sich aber auch an die Auseinandersetzungen in seiner Familie. Die Mutter sei gegen die Einflussnahme der Nazipropaganda auf die Erziehung im Kindergarten gewesen, der Großvater aber war ein engagierter Nazi, der die Mutter als „Judenhure“ beschimpfte.

Von der Bombennacht berichtet Schmidt unter anderem: „Mutter hatte Äpfel bekommen und kochte noch Apfelgelee als die Sirenen heulten. Vom Hof wurde gerufen, sich zu beeilen: ,Heute ist Darmstadt dran.’“

„Die Erwachsenen hatten das Nötigste zum Anziehen und wichtige Papiere griffbereit zurecht liegen. Wir Kinder nahmen unsere Lieblingsspielzeuge in die Hand und wir liefen los. Im Tiefkeller einer ehemaligen Brauerei waren 400 Menschen versammelt. Feuchte Tücher sollten die Atemwege vor dem von Bomben aufgewirbelten Staub schützen. Wir Kinder kauerten uns an unsere Mütter.“

Nach dem Angriff führten Feuerwehrmänner alle 400 Menschen im Gänsemarsch aus dem Keller zum Steubenplatz. „Von dort wurden wir weg von der brennenden Stadt in Sicherheit gebracht.“

Der Film „Brandmale“ zeigt Originalaufnahmen von den Folgen der Bombennacht, gedreht von Kriegsberichterstattern der Royal Air Force. Der Streifen hinterlässt ebenso wie der Bericht von Peter Schmidt einen tiefen Eindruck bei den zahlreichen, zumeist älteren Besuchern der Ausstellung, die am eigenen Leibe die Luftangriffe der Alliierten erlebt haben.

Zur Erinnerung an das Inferno von Darmstadt beherbergt der Weiße Turm in der Wissenschaftsstadt etwa 4 000 Namen der Verstorbenen. Die meisten Opfer wurden in einem Massengrab auf dem Darmstädter Waldfriedhof beigesetzt.

Am Sonntag, 10. April, wird nach Auskunft von Hans Schmidt bei der Finissage zur Ausstellung nachmittags ein Film über die Entwicklung Erzhausens „Vom Kriegsende bis zum Wirtschaftswunder“ gezeigt. Ein letztes Mal kann die Ausstellung von 15 bis 18 Uhr besichtigt werden. An diesem Tag ist auch die Dokumentation „Hessens Weg nach 45“ zu sehen. Hans Schmidt hat diese Zeit in Erzhausen als Jugendlicher erlebt. Zur Einführung in den Film berichtet er um 16 Uhr aus dieser Zeit.