Poetry Slammer Lars Ruppel zu Gast im Senioren- und Pflegeheim Ahornhof Mit Dichtkunst Erinnerungen wecken

Poetry Slammer Lars Ruppel wagte im Ahornhof mit einer der Mitarbeiterinnen sogar ein Tänzchen. Foto: zcol

Langen (zcol) – Zu jedem Senior geht Lars Ruppel persönlich hin, er schüttelt die Hände, blickt den Menschen freundlich ins Gesicht. „Herzlich willkommen, schön, dass sie da sind“. Die Bewohner des Senioren- und Pflegeheims Ahornhof lächeln offen zurück, freuen sich sichtlich über die persönliche Ansprache und schon steckt der Poetry Slammer mittendrin in seinem Programm. „Dunkel war’s, der Mond schien helle, schneebedeckt die grüne Flur, als ein Wagen blitzeschnelle, langsam um die Ecke fuhr“, zitiert der preisgekrönte Rezitator ein wohlbekanntes Gedicht eines unbekannten Autors und zaubert der Runde, die im Stuhlkreis oder auf Rollstühlen um ihn herumsitzen, ein Lächeln ins Gesicht.

Lars Ruppel ist zum ersten Mal mit seinem Programm „Weckworte“ zu Gast im Ahornhof. Auf Einladung der Heimleitung und mit Unterstützung des Deutsch-Türkischen Freundschaftsvereins hat der bekannteste Poetry Slammer Deutschlands einen Workshop für die Mitarbeiter des Betreuungs- und Pflegepersonals gehalten. Zwei Stunden lang üben die Betreuungskräfte, wie sie die Poesie in den Alltag der alten Menschen bringen können. Noch ganz ohne Publikum sind sie alleine unter sich. Die Bewohner kommen erst im zweiten Teil des Nachmittags dazu. Sabine, Bernd und die rund 20 Kollegen lernen mit bekannten Zeilen bedeutender Dichter Erinnerungen zu wecken, oder auch mit völlig unbekannten und neuen Gedichten frischen Wind ins Haus und Freude an den Worten zu vermitteln.

Es ist faszinierend zu beobachten, mit welch einfachen Mitteln Ruppel die Menschen abholt. Die Begeisterung des Deutschen Meisters im Poetry Slam ist mitreißend und berührend. Er wählt schöne und lustige Gedichte aus, wie „Die Kuh“ von Heinz Erhardt, oder auch das Liebesgedicht von Erich Fried „Es ist was es ist, sagt die Liebe“. Er gibt den Betreuern spannende Techniken an die Hand, wie sie die Zeilen in den Pflegealltag bringen können. „Berühren sie die Menschen. Begrüßen sie sie mit Handschlag. Wünschen sie ihnen einen guten Tag, blicken sie ihrem gegenüber in die Augen“, kommt er mit den wohlbekannten Regeln des guten Miteinanders. In der Verbindung mit den Gedichten kommt in der Gruppe dann eine besondere Dynamik auf. Ruppel verteilt Gedichttexte, lässt die Mitarbeiter laut, leise, traurig, fröhlich und alle durcheinander laut lesen. Viele der Workshopteilnehmer bereiten ein Gedicht vor. Sie gehen bei jeder Zeile von Mensch zu Mensch, schütteln Hände, oder sie rezitieren das Gedicht mit den zu dem Text passenden Bewegungen. Eine weitere Möglichkeit ist es, ein Gedicht nach einem ersten Vortrag zu wiederholen und sein Gegenüber die Reime zu Ende sprechen zu lassen. Und was sich im theoretischen Teil ganz amüsant und unterhaltsam anhört, ist bei der Umsetzung mit den Bewohnern des Ahornhofs ein echter Knaller. Lars Ruppel ist natürlich auch eine echte „Rampensau“ – um mal ein solch wenig poetisches Wort zu benutzen. War es in der Lehrsituation ein durchaus theoretischer Ansatz, von dem die Teilnehmer lernen und profitieren sollen, geht es dem jungen in Hessen geborenen Berliner im zweiten Teil darum, die alten Menschen zur berühren, sie zu unterhalten und Freude zu bringen. Zuerst schnappt er sich eine zunächst noch etwas überraschte Mitarbeiterin und legt ein Tänzchen aufs Parkett. Es folgt ein wahres Gedichtefeuerwerk. An Schillers „Die Glocke“ können sich beinahe alle Menschen in der Runde erinnern. Die Senioren müssen auch nicht dazu aufgefordert werden, eifrig sprechen sie die etwas strengen Zeilen mit. Bei Kurt Tucholskys „Mutters Hände“ werden biographische Erinnerungen geweckt. Als die Pflegekraft die Hände einer alten Dame fasst und die Zeile „Hast uns Stullen geschnitten“, sagt diese „Jaja, so viele Brote geschmiert und immer eingekauft“, muss die Runde lachen. Die Worte berühren die Teilnehmer in ihren Herzen. Und selbst diejenigen, die sie vielleicht nicht mehr verstehen, erfreuen sich an dem melodischen Klang der Worte, der extrem guten Stimmung, dem Lachen und dem immer wieder einsetzenden Applaus. Als nach gut 45 Minuten alle zusammen noch Reinhard Meys „Über den Wolken“ singen, gibt es eine Runde glückliche Senioren und etwas verblüffte Mitarbeiter.

„Ich hätte nicht gedacht, dass Gedichte zu unserem Haus passen“, sagt eine der Mitarbeiterinnen, „das klingt ja immer erst mal so hochtrabend – Poesie. Aber das war es gar nicht. Es war lustig und schön und vor allem etwas ganz Anderes und Neues. Ich werde mir diese Tipps auf jeden Fall merken und in meinen Alltag einbauen.“

In dem kurzen Abschlussgespräch sind sich alle einig: Die Bewohner des Hauses hatten eine tolle Zeit, viele sind mit glänzenden Augen ins Programm eingestiegen und selbst bei jenen, die sich nur noch selten beteiligen, haben sehr positiv auf die Gedichte und Reime und die schönen Worte reagiert.