Hilfe aus Langen für Witwen in Nordnigeria/Opfer von Boko Haram ohne Lobby Flüchtlinge in ihrer Heimat unterstützen

Schulspeisung in Gurku. Mädchen und Jungen, die gemeinsam unterrichtet werden, warten auf ihr Mittagessen. Foto: p

Langen (red) – Ohne Mann können Frauen im Norden Nigerias kein Feld besitzen, kein Geschäft oder Bankkonto eröffnen. Mädchen werden häufig Opfer sexueller Gewalt durch Rebellengruppen, Witwen sind nahezu rechtlos. 2014 gründeten acht Pfarrerinnen aus Mainz Widows Care, um Frauen und Kindern in Borno State zu helfen, die durch Übergriffe der islamistischen Terrororganisation Boko Haram ihre Männer und Väter verloren haben.

Die evangelische Kirchengemeinde Langen unterstützt die Selbsthilfeorganisation, die bereits 2015 im Evangelischen Dekanat Dreieich als sozial-ökumenisches Projekt gefördert wurde, mit Kollekten und Spenden. Kontakt nach Nigeria hält Widows Care-Gründungsmitglied Renate Ellmenreich.

„Die Zuwendungen aus Deutschland gehen direkt nach Maiduguri“, versichert die Pfarrerin im Ruhestand, die von 1999 bis 2004 selbst in Borno State lebte und arbeitete. Die Frauen versuchen, damit gemeinsam ihr Auskommen in der Provinzhauptstadt im Nordosten des Landes zu sichern, indem sie beispielsweise kleine Geschäfte eröffnen: Wenn sie eine Nähmaschine ergattern können, beginnen sie zu schneidern, andere backen Brot oder verkaufen Essen an der Straße. Die Lehrerinnen unter ihnen unterrichten die Kinder, darunter viele Waise.

Um die Abläufe vor Ort kümmert sich die Nigerianerin Rebecca B. Die 42-jährige Lehrerin bekämpft seit vielen Jahren den Analphabetismus in der Region. Gemeinsam mit Ellmenreich gründete sie mehr als 20 Schulen und bringt Kindern und Erwachsenen Lesen und Schreiben bei. Regelmäßig informiert Renate Ellmenreich ihre Unterstützer über aktuelle Entwicklungen. Jüngst berichtete sie beim monatlichen Treffen der Ehrenamtlichen in der Langener Flüchtlingsarbeit im Johannes-Gemeindezentrum über neue Projekte, die dank der finanziellen Zuwendungen aus Deutschland realisiert werden können. So gelang es, in Gurku, etwa eine Autostunde entfernt von der Hauptstadt Abuja, ein Stück Land zu erwerben. Das Areal grenzt an eine Flüchtlingssiedlung aus der Region Maiduguri. Dort werden sogenannte Witwenhäuser gebaut, die 70 meist schwer traumatisierten christlichen Frauen und deren Kindern Platz bieten.

Zusammen besuchen die Kinder aus der Flüchtlingssiedlung und dem Witwendorf eine dreigruppige Grundschule, mit deren Toilettenhäusern wiederum eine Biogasanlage zur Energieversorgung beider Ansiedlungen betrieben wird. Eine Solaranlage dient der gemeinsamen Trinkwasserversorgung. Fisch- und Kleintierzucht sowie Gemüseanbau stellen die Ernährung sicher.

An einer Haupt-Einfallstraße entsteht derzeit ein kleines Einkaufszentrum. Dort bieten die Frauen künftig in fünf Läden ihre selbst gefertigten Erzeugnisse zum Kauf an – beispielsweise Chutneys, Seifen, Näh- und Handarbeiten. Das gegenüberliegende Restaurant lädt Durchreisende dazu ein, sich mit einem Imbiss zu stärken. Diese Shopping Mall wird durch eine Stiftung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung kofinanziert. Das Engagement der Langener für Widows Care begründet Christiane Musch damit, dass sich die Organisation derzeit als einzige um christliche Flüchtlinge in dieser Region kümmert. „Hier erhalten Menschen Hilfe zur Selbsthilfe, die international keine Lobby haben, aber dringend Unterstützung brauchen“, erläutert die Langener Pfarrerin. Durch das Wirken von Widows Care erfahre die Öffentlichkeit, „dass der Bürgerkrieg in Nigeria weitergeht, das Problem Boko Haram nach wie vor ungelöst ist und die Opfer nicht in ihre Heimat zurückkehren können“, so die Dekanatsbeauftragte für Mission und Ökumene. „Ganz davon abgesehen, dass die Witwen kein Geld haben, ins Ausland zu gehen, ist es sinnvoll, Flüchtlinge vor Ort in ihren Heimatländern zu unterstützen“, ist sie sicher. „Dort haben sie schon allein aus Gründen der Sprache und Kultur viel bessere Chancen, sich zu integrieren, als das etwa bei uns der Fall wäre.“

„Vor Ort lässt sich schon mit geringen Geldbeträgen viel bewirken“, betont Musch. „Ein Witwenhaus kostet umgerechnet 2.000 Euro, für 150 Euro kann ein Waisenkind in Nigeria ein Jahr die Schule besuchen.“ Genau dieser Betrag kam bei der Sammlung der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer zusammen. Vom Dekanat erhielt die Selbsthilfeorganisation 2.800 Euro, die Langener Kirchengemeinde unterstützt Widows Care regelmäßig mit 500 Euro pro Jahr.

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