Skurilles und Historisches aus 100 Jahren „Deutsches Haus“ bei den Naturfreunden Ein gefiederter Dieb, ein Fluch und 1.000 weiße Mäuse

Karl-Heinz Dütsch und seine Schwester Cornelia hatten viele spannende Anekdoten zu erzählen. Foto: Jost

Langen (njo) – Kuriose Begegnungen, rätselhafte Flüche und prominente Gäste – keine Frage, aus 100 Jahren Gastronomie und Hotellerie lässt sich so manche Anekdote erzählen. Karl-Heinz Dütsch war in der vergangenen Woche mit den Geschichten aus dem „Deutschen Haus“ zu Gast bei den Naturfreunden. Etwa 70 Langener lauschten den Erzählungen von Dütsch und seiner Schwester Cornelia. Der traditionsreiche Familienbetrieb an der Darmstädter Straße wurde 2008 verkauft, abgerissen und heute steht das Altenpflegeheim Ahornhof auf dem markanten Grundstück an der ehemaligen Bundesstraße B3.

Die Straße, die einst von Flensburg bis Basel durch Langen führte und der daraus resultierende Verkehr waren es auch, die Dütschs Urgroßvater Kaspar Dütsch an diesen Standort lockten. Bierbrauer Dütsch wurde von Conrad Binding 1883 nach Langen versetzt. Mit einer eigenen Landwirtschaft, Gastronomie und Fremdenzimmern baute der Bierbrauer ein zweites Standbein für seine Familie auf. In seiner Eröffnungsanzeige vom 4. Oktober 1908 versprach Dütsch „eifriges Bestreben nur prima Speisen zu verabreichen“.

Das Unternehmen startete mit zwei Gasträumen – einer Gaststätte für die Bauern und einer Weinstube für die feineren Bürger auf der Durchreise und Langener Geschäftsleute. Fünf Fremdenzimmer – noch ohne fließendes Wasser und elektrisches Licht und nur mit Nachttopf unterm Bett – und Platz für 20 Pferde im Stall rundeten damals das Angebot ab. „Als das Haus noch im Umbau war, und ein Nachbar vorbeikam und die Fachwerkstreben für das Obergeschoss sah, fragte er meinen Großvater: „Was baut ihr da für ein altes, deutsches Haus?“ Damit hatte das Deutsche Haus seinen Namen“, erzählte Karl-Heinz Dütsch. Fachwerk war zu dieser Zeit nämlich eigentlich schon nicht mehr in Mode. Der Gasthof florierte prächtig, Kaspar Dütsch begrüßte jeden Gast mit Handschlag und verweigerte sich als echter Braumeister dem Langener Stöffche – Ebbelwoi gab es im Deutschen Haus erst nach Kaspar Dütschs Tod 1935.

Sogar unter einem Fluch hatte das Deutsche Haus zu leiden: Nachdem 1910 Gas- und Wasserleitungen verlegt wurden, gab es fließendes Wasser im Hotelbetrieb. Die drei hauseigenen Brunnen wurden stillgelegt und abgedeckt. Eine morsche Abdeckung wurde zum Todesurteil für das Pferd eines Griesheimer Bauern. „Er wollte seine Rösser in den Stall stellen und eines der Pferde brach in einen der Brunnen ein“, erzählte Hotelier Dütsch. Auch die Feuerwehr konnte das Ross nicht retten – das arme Tier verendete im Brunnenschacht und wurde zugeschüttet. Der Griesheimer Bauer verfluchte das Deutsche Haus. „Ich bin ein rational denkender Mann – aber seit dieser Zeit hatte das Gebäude immer wieder Probleme mit dem Wasser. Extrem viele Wasserschäden und Rohrbrüche. Als das Haus 2008 abgerissen wurde, fanden wir die vier Hufeisen des Pferdes in dem alten Schacht. Zwei sind noch in meinem Besitz und sollen eines Tages im Museum ausgestellt werden. Aber auch im Ahornhof gab es bereits Probleme mit Wasserschäden – gerade im Moment gibt es wieder einen“, sagte Dütsch. Der Hotelier berichtete, wie die schwedische und die deutsche Olympiamannschaft anlässlich der Spiele 1936 in Berlin im Deutschen Haus gastierten, wie 1948 ein Mercedes V170 als erster Firmenwagen angeschafft wurde, der auch als Krankentransport für die Nachbarschaft, als Pferdetransporter oder Rallyefahrzeug diente. Das Hotel wuchs, 1953 wurde erstmals angebaut und dann hatte das Deutsche Haus 30 Zimmer und 40 Betten, 1957 waren es 42 Zimmer und 52 Betten, 1966 kamen weitere zwölf Zimmer dazu. Die letzten Erweiterungsmaßnahmen waren 1971, dann gab es 59 Zimmer im Hotel an der Darmstädter Straße.

„Es war auch immer was los im Deutschen Haus, 1957 hatten wir 8.724 Übernachtungen, 1966 waren es schon 12.744 und 1991 zählten wir 15.631 Buchungen. Sepp Herberger war Stammgast im Deutschen Haus und die Firma Pittler hatte eine eigene Nische im Gastraum, mit einer Klingel, damit die Kellner die wichtigen Besprechungen nicht belauschten“, erinnert sich Karl-Heinz Dütsch. Er selbst ließ 1.000 Gäste im Jahr 2004 kostenlos im Deutschen Haus logieren – 1.000 weiße Mäuse, die für das Paul-Ehrlich-Institut bestimmt waren und deren Anlieferer zu spät dran war und dann im Hotel übernachten musste, um die Mäuse am nächsten Tag in die Labore des PEI zu bringen.

Während Oma Margarete Dütsch sehr reiselustig war und oft Personal von ihren Urlaubsaufenthalten mitbrachte, war das Hotel auch Sprungbrett in die Welt – ein Mitarbeiter wurde später Saaldiener im Deutschen Bundestag in Bonn. Einen eigenen Hoteldieb hatte das Deutsche Haus übrigens auch – es verschwanden Zahnbürsten und Kugelschreiber – letztlich stellte sich heraus, dass ein zahmer Rabe auf seinen Rundflügen an den geöffneten Hotelfenstern seine Beute machte.

2008 war dann Schluss. „Ich hatte die Nase voll“, sagt Karl-Heinz Dütsch und bereut es bis heute nicht, seinen Hotelier-Status aufgegeben zu haben. Jetzt arbeitet er die 100-jährige Geschichte das Traditionshauses auf. Die Gäste im Naturfreundehaus applaudierten Dütsch lange für seine sehr amüsanten Erzählungen.