Graffiti-Künstler übermalen Schmierereien am Bahnhof Unterführung wird zur Freilichtgalerie

Am Wochenende haben etwa 60 Künstler aus ganz Deutschland die Fußgängerunterführung an der Nassoviastraße in ein begehbares Kunstwerk verwandelt. Dafür hat der Langener Künstler Oliver Goeke Freunde und Kollegen eingeladen. Auch Sprayer Stilbruch Lack beteiligte sich an der Aktion. Foto: Kokoschka

Langen (zvk) – Die illegalen Schmierereien in der Bahnhofsunterführung an der Nassoviastraße gehören der Vergangenheit an: Ein Team aus etwa 60 Sprayern aus ganz Deutschland verwandelte die alte Fußgängerunterführung am Wochenende in eine Freilichtgalerie.

Es roch nach frischer Farbe im Gang der Bahnhofsunterführung und zischte, wenn die Sprayer ihre Dosen benutzten. Und dann war da noch dieser durchdringende Lärm der beiden Ventilatoren, die das Aerosol (ein gasförmiges Gemisch) vertreiben sollten. An diesem Ort brachten die Streetart-Künstler ihre Werke an die Wände. Dabei gilt: Die Graffiti sind ihre Motive, die Dosen ihre Werkzeuge. Doch bevor es richtig losgehen konnte, mussten die alten Schmierereien überstrichen werden.

„Das sind dumme Aktionen und die stehen nur für Langeweile. Ein echter Graffiti-Künstler würde niemals „Baby, I love you“ oder Ähnliches auf eine Wand schreiben“, sagt Initiator Oliver Goeke alias Eater Parker. Am Samstag begann die Gruppe mit dem Sprayen, am Sonntag folgte dann noch der Feinschliff. Die Frischekur für die öde Bahnhofsunterführung und ihre vier Zugänge kommt an: „Früher war das hier mein Schulweg. Ich finde es toll, was die jungen Menschen aus dem Gang gemacht haben. Die Stadt sollte mehr solcher legalen Flächen für die Künstler zur Verfügung stellen”, sagte Passantin Sylvia Pollok.

Und auch andere Passanten, die sonst eilig durch die Unterführung laufen, blieben nun neugierig stehen. Bei der Gestaltung der Wände hatten die Künstler freie Hand: So entstanden große Schriftzüge – „pieces” genannt – mit den Pseudonymen der Künstler. Aber auch Porträts und Comicfiguren schmücken nun die 33 Meter langen Mauern der Unterführung. Für die Umgestaltung haben die Künstler den Segen der Stadt und können die Wände somit legal verschönern.

Der Stadt entstehen dadurch kaum Kosten – sie bezahlt nur das Essen und die Getränke. Im Gegenzug übernimmt Eater Parker die Patenschaft für das Projekt und verpflichtet sich, die Straßenkunst bis mindestens Ende 2020 in Ordnung zu halten. „Falls illegale Schmierereien entstehen sollten, werde ich mich mit allen Kollegen die Lust und Zeit haben, darum kümmern”, sagte er. Über die Genehmigung der Stadt freut sich auch Künstler Gigi. „Es ist cool, dass die Stadt da so gechillt ist und nicht so verklemmt”, sagte der 13-Jähriger. Vor zwei Jahren hat er seine Leidenschaft für Graffiti entdeckt: „Damals war ich mit meinen Großeltern in der Naxoshalle, wo Streetart gezeigt wird. Da hat es mich gepackt”, erzählt er.

Seitdem sprayt Gigi, der sonst Karl Runke heißt, bei jeder Gelegenheit, die sich im bietet – solange sie legal ist. Auch am Ratswegkreisel in Frankfurt hat er schon seine Spuren hinterlassen. Trotz seines jungen Alters fühlt er sich in der Streetart-Szene wohl: „Die Leute hier sind alle hilfsbereit. Wenn ich Fragen habe oder meine Dose leer ist, gibt es immer jemanden, der mir weiterhilft.”

Diese offene Gesellschaft schätzt auch Künstler Mexiko. Bereits 1996 hat er an dieser Stelle gesprayt. Damals gab es aus gleichem Anlass, wenn auch im kleineren Umfang, eine ähnliche Aktion. „Ich spraye immer gerne mit neuen Leuten, die ich noch nicht kenne. Dann tauscht man sich automatisch aus und man lernt immer was dazu”, berichtet Mexiko. Mehr als 20 Jahre später an genau derselben Stelle nochmal zu sprayen. ist für ihn was ganz Besonderes. „Da kommen Erinnerungen hoch”, sagt der 39-Jähriger und hält wie zum Beweis alte Zeitungsausschnitte hoch.

„Man malt freier als früher. Ich habe gelernt, wie man ein Bild aufbaut und sich als Künstler dahinter inszeniert”, sagt Mexiko. Als Künstler habe er sich weiterentwickelt -ähnlich wie seine Kunst. Denn mittlerweile werden Graffiti von vielen als Kunst und nicht mehr als Vandalismus gesehen.