Szenische Lesung über Bettina von Arnim Die „wilde Bettina“ gastiert im Werkhof

Die Frankfurter Schauspielerin Katharina Schaaf schlüpfte am vergangenen Wochenende im lila Kleidchen mit feinem Schultertuch und hoch gesteckten Haaren in die Rolle von Bettina von Arnim. Foto: zcol

Langen (zcol) – Die Frankfurter Schauspielerin Katharina Schaaf schlüpfte am vergangenen Wochenende im lila Kleidchen mit feinem Schultertuch und hochgesteckten Haaren in die Rolle von Bettina von Arnim. Es gibt wohl wenige Orte, an die die aus der Frankfurter Kaufmannsfamilie Brentano stammende Schriftstellerin besser gepasst hätte, als in den malerischen Werkhof. 

Die historischen Mauern in der Langener Altstadt waren schon oft Kulisse von Lesungen – das szenischen Spiel über die schillernde Figur der „wilden Bettina“ war dabei ein Genuss. Ausdrucksstark und mit ebenso spannenden und lustigen Details entführte Katharina Schaaf die etwa 65 Gäste in die Welt des 19. Jahrhunderts. Bettina war die Lieblingstochter ihres Vaters, des Großkaufmanns Peter Anton Brentano. Und das war wahrlich etwas Besonderes, hatte Brentano doch allein mit Bettinas Mutter Maximiliane von La Roche zwölf Kinder. Schaaf erzählte sehr bildhaft, wie wild und ungestüm die kleine Bettina war, wie sie auf Bäume kletterte und ihre Eltern und Geschwistern auch so manches Mal zum Narren hielt. Ihre erste, schwärmerische Liebe, galt dem eigenen Bruder: Clemens von Brentano.

Ein „Schönling mit schwarzen Locken und glühenden Augen“, wie Schaaf ihn sehr bildhaft beschrieb. Der Bruder war natürlich tabu, also ehelichte Bettina seinen besten Freund, Achim von Arnim. Die beiden waren miteinander durchgebrannt und schockierten mit dieser Verbindung die Brentanos zunächst. Aber das Langener Publikum erfuhr, dass Bettina durchaus sehr lebenstüchtig war, und auch als Tochter aus höherem Haus in der Lage war, in Berlin und auf einem Landgut zu leben. Das Ehepaar bekam sieben Kinder, und besonders die Namen der Söhne, Freimund, Siegmund, Friedemund und Kühnemund, geboren zwischen 1812 und 1817, amüsierten das Publikum sehr. Katharina Schaaf stieg nicht sehr tief in das literarische Werk von Bettina von Arnim ein, aber es wurde durchaus deutlich, dass sie auch als erwachsene Frau stets das „wilde Kind“ geblieben ist und mit ihren Schriften, die eine ordentliche Portion Sozialkritik enthielten, ihrer Zeit deutlich voraus war. 1843 veröffentlichte sie zur Krönung des preußischen Königs „Dies Buch gehört dem König“. Die von ihr geschriebenen, fiktiven Dialoge zwischen der Mutter Goethes und der Mutter des preußischen Königs wurden in Bayern sogar verboten.

Einen besonders großen Platz in ihrem Spiel räumte Katharina Schaaf der Korrespondenz mit Johann Wolfgang von Goethe ein. Schon die Mutter von Bettina war in den Dichter verliebt. Bettina von Arnim veröffentlichte „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“ erst nach dem Tod des Schriftstellers. „Wir hatten ein inniges Verhältnis miteinander – der Goethe und ich“, kokettierte Schaaf in breitem Hessisch und mit leuchtenden Augen. Sie erzählte aber auch die amüsante Geschichte, die letztlich zum Bruch mit dem berühmten Schreiber führte: In einer Ausstellung riss Christiane Goethe Bettina nach einer abfälligen Bemerkung über die Kunst die Brille von der Nase. Bettina ohrfeigte Christiane daraufhin und nannte sie eine „wahnsinnige Blutwurst“. „Isch durft danach net mehr zu den Goethes ins Haus“, berichtete Katharina Schaaf mit schuldbewusster Miene.

Zum ersten Mal, nach 20 Lesungen im Werkhof in Kooperation mit der Langener Buchhandlung Litera stand das Leben einer bedeutenden Frau im Mittelpunkt. Die Figur war dazu sehr gut ausgewählt und bot viel Wissenswertes und Amüsantes. Das Publikum lauschte dem völlig frei gespielten Vortrag mit großem Interesse und Katharina Schaaf bekam sehr verdienten Applaus. In der kleinen Pause bewirtete das Team von Gertrud Schürrlein die Gäste – sehr passend zur Lesung – mit Handkäs’ mit Musik.