„Best’er Stier vom Gailenberg“ Jahrgang 2016 erstmals ausgeschenkt „Die 150 Flaschen trinken wir“

Der Freundeskreis des „Best’er Stier vom Gailenberg“ (von links): Dieter Kaiser, Daniel Tybussek, Ingeborg Fischer, Harald Winter, Karl-Heinz Stier, Henny Kaiser, Oliver Quilling und Helmut Meyer. Foto: man

Mühlheim (man) – 2017 wäre es für die Katz gewesen, einen „Best’er Stier vom Gailenberg“ Jahrgang 2016 zu öffnen. Die meisten Trauben waren den Eisheiligen zum Opfer gefallen. Im vergangenen Jahr sah es zeitweise auch ziemlich trübe aus. Am Ende ließen sich aus den 99 Reben dennoch 150 Flaschen Weißburgunder keltern. Die ersten Probiergläser schenkte das Ehepaar Henny und Dieter Kaiser jetzt bei sich zu Hause in Lämmerspiel aus.

Es dürfte wohl der Eindruck des ersten Schlucks sein, der Gabi Mollbach die Vermutung entlockt: „Ich glaub, von dem werd‘ ich schnell betrunken.“ Vielleicht frühstückte die amtierende Ritterin des Fastnachtsvereins Sonnau nicht all zu üppig. Unter diesen Umständen fühlt sich morgens um elf ein Schluck schwerer an als abends mit Substanz im Magen. Mit zwölf Prozent Alkoholgehalt liegt der „Best’er Stier vom Gailenberg“ im Takt der meisten Weißweine.

Neben Bürgermeister Daniel Tybussek und Stadtverordnetenvorsteher Harald Winter erscheint auch Landrad Oliver Quilling. Gattin Andrea Quilling freut sich, zu dem Anlass einmal nicht bei Kälte und Regen unterm Vordach zu sitzen: es herrscht Kaiserwetter.

Karl-Heinz Stier, einer der Protagonisten der Interessengemeinschaft Lämmerspieler Weinbauern, erzählt, wie sich im vergangenen Jahr durch relativ warme Temperaturen von Februar bis in die ersten Apriltage die Flora zwei Wochen früher entwickelte als üblich. An sich kein Problem, wenn nicht noch einmal die Kälte zuschlägt. Aufkommende Spätfröste brauchten Winzer im Rheingau in die Bredouille, die Lämmerspieler kamen ungeschoren davon.

Kein Getränk spielt in der Kulturgeschichte eine so große Rolle wie der Wein. Archäologen fanden im heutigen Georgien knapp 8000 Jahre alte Zeugnisse des ersten Anbaus. Im Pantheon steht Dionysos für die Aufsicht über den Wein. In dessen Ressort fallen außerdem die Themen Freude, Wahnsinn und Ekstase.

Das Besondere am Wein liegt die der Liaison von Wirkung und Geschmacksnuancen. Jeder, der nicht gänzlich abstinent lebt, versteht, was Harald Juhnke mit seiner Definition von Glück meinte: „Keine Termine und leicht einen sitzen.“ Der Entertainer lebte aber fern der eigenen Maxime und soff sich in den Schwachsinn. Für den Genuss von Wein kommt es darauf an, die meiste Zeit was anderes zu trinken.

Dieter Kaiser geht mehrmals die Woche auf den Gailenberg, um den Stand der Reben zu kontrollieren und gegebenenfalls mit der Schere einzugreifen. Zur Mannschaft der Hobbywinzer gehört seit 18 Jahren auch Helmut Meyer. Indirekt kam er über seine Tochter Katja dazu. Sie heiratete Marcus Müller, einen Enkel von Reinhold Best. Dem 2000 verstorbene Eigentümer des Autohauses gehörte das 200 Quadratmeter große Grundstück, auf dem die 99 Reben für den Weißburgunder stehen. „Reinhold sagte damals zu mir, mach doch bei uns mit“, erinnert sich Meyer, wie er als Weinbauer anfing und bei der Stange blieb.

Der Weißburgunder schmeckt. In musikalischen Allegorien gesprochen: Mehr Tenor als Bariton, eher Violine als Viola. „Mit 7,2 Prozent Säure bei 83 Grad Oechsle lässt sich der Wein auch ein paar Jahre lagern“, betont Stier. Indes legt der Bürgermeister fest: „Die Reben darf jeder betrachten, die 150 Flaschen trinken aber wir.“

Ingeborg Fischer, die Frau, die beim Weinfest auf dem Gailenberg am 25. August wieder ihre beliebten Winzerknorzen servieren wird, erklärt, wie der „Best’er Stier vom Gailenberg“ zu seinem Namen kam: „Ein Mix aus dem Grundstücksbesitzer, dem Anbaugebiet und Karl-Heinz Stier, der einst die Idee formulierte, dort wieder Wein anzubauen.“