Mehr als nur ein Standbein: Kirsten Berlin ist heute Künstlerin und morgen Buchautorin Von Acryl-Malkurs bis Erziehungsratgeber

Wer im Kurs von Kirsten Berlin (stehend) ein Acryl-Bild anfängt, geht mit einem fertigen Werk unterm Arm nach Hause. Foto: man

Mühlheim (man) – Im Schanz wird nicht nur gegessen und getrunken. Einmal im Montag gibt Kirsten Berlin in dem Kulturzentrum an der Carl-Zeiss-Straße einen dreistündigen Malkurs. Das Ziel: Am Ende des Abends soll jeder mit einem fertigen Acryl-Bild unterm Arm nach Hause gehen, so trefflich gemalt, dass sich auch an die Wand hängen lässt. Die in Mühlheim aufgewachsene Künstlerin spielt aber auch als Buchautorin eine Rolle.

Eva kommt ein paar Minuten zu spät, was die Kursleiterin aber schon wusste. Als unzuverlässig gilt Eva aber keineswegs. Sie kann jedoch erst aus dem Haus, wenn der Mann von der Arbeit kommt und das Kind übernimmt. Was sie heute malen wird, will Eva auch nach den ersten Strichen noch nicht verraten, „das ist zu persönlich“.

Die meisten nehmen heute nicht das erste Mal teil, wie etwa Helene mit ihrer Tochter Maren. Die 16-jährige malt ein Bild mit drei koreanischen Schriftzeichen. Kirsten Berlin fragt an, ob sie wisse, was die bedeuten. Schließlich ließen sich angeblich manche asiatische Zeichen schon tätowieren, ohne zu ahnen, dass ihren Rücken nun ein Hinweis wie „Ente-süß-sauer“ ziert. Maren berichtet jedoch, die drei Zeichen stünden für „Mondscheinkind“ und entstammten dem Cover einer südkoreanischen Band, die ihr gefalle.

Kirsten Berlin schaut sich das Bild einer anderen Frau an, der sie rät, dem Grün ihres Motivs ein wenig rot beizumischen. Die erklärt jedoch, dem Vorschlag gerade nicht folgen zu können und ganz aufs Grün zu setzen, „Kirsten, ich weiß, was du meinst, aber ich brauche das jetzt“. Kein Problem für Berlin, den Willen zu akzeptieren. Die Kurse sind nicht das einzige Standbein der Frau. Die in Mühlheim aufgewachsene Seligenstädterin schrieb neben einem Erziehungsratgeber auch ein Buch mit dem Titel „Empathische Liebe mit einem toxischen Partner“. In der Unterzeile heißt es, „Erste Hilfe für den schwierigen Ausstieg aus narzisstischem Missbrauch und Liebessucht“.

Männliche Narzissten seien oft in der Lage, eine Liaison „so unglaublich charmant, aufmerksam, charismatisch und fürsorglich“ zu beginnen. Wenn es passt, arbeiten die Charaktere einen simplen Bedürfniskanon gewissenhaft ab, „es gibt wunderschöne Komplimente, rote Rosen, teure Restaurants, womöglich Kurzurlaube“. Ein Setting wie aus dem Groschenroman: „Der Anfang der Beziehung ist ein Himmel voller Geigen.“ Die Phase wirke wie ein Drogenrausch, „wir werden immer wieder versuchen, an diesen ersten Zustand anzuknüpfen und werden es nie wieder schaffen“. Klappen kann das ohnehin nicht, wenn die Phase der verdeckten und offenen Kritik längst einsetzte. Ähnlich wie Kinder, die auch durch Normerfüllung Papas Prügel nicht vermeiden können, geht es im Buch von Kirsten Berlin auch Frauen von Narzissten: „Egal, was Sie tun oder lassen, es wird nie genügen.“

Die Autorin skizziert die Gründe, die jemanden bewegen, den Typen nicht zu verlassen, auch wenn eigentlich klar ist, dass die Beziehung das eigene Leben alles andere als verschönert. „Wenn wir offen zueinander wären, dann würden wir feststellen, dass wir in einer Beziehungs- GmbH uns zum Teil fast schon prostituieren, aus einer Angst heraus, ohne den Partner noch schlechter dran zu sein“. Kirsten Berlin beschreibt in einem gut zu lesenden Stil am Beispiel der eigenen Biographie, wie sich das Muster eines Menschen bildet, immer wieder in den Radius von Narzissten zu gelangen.

Heute geht es aber um die Malerei. Am Rande erklärt Berlin die Vorteile von Acryl. Ein falscher Pinselstrich lässt sich leicht korrigieren, „wenn‘ s noch feucht ist, kann man es wegwischen“. Die illustre Gruppe der Teilnehmer singt dann einen Klassiker, „Happy Birthday to You“. Der Glückwunsch gilt Kai aus Maintal, der zusammen mit Freundin Chantal jeweils ein Bild malt, das sich am Ende zu einem Motiv zusammenfügen lässt. Für Chantal ist das eine Fingerübung. Sie absolvierte an der staatlichen Zeichenakademie Hanau eine Ausbildung.