Helmut Oehm wird von den Rettungskräften einfach stehen gelassen Als Begleitperson im Krankenwagen unerwünscht

Helmut Oehm verstand nicht wie ihm geschah, als er seine an Alzheimer erkrankte Frau im Rettungswagen nicht begleiten durfte. Foto: man

Mühlheim (man) – Im letzten Monat des Jahres 2018 wusste Helmut Oehm nicht mehr, wie ihm geschah. Seine Frau war gestützt, ein Rettungswagen fuhr deshalb an seinem Haus im Markwald vor. Der Achtzigjährige durfte seine an Alzheimer erkrankte Frau im Wagen nicht begleiten. Die Johanniter Unfallhilfe Rodgau argumentiert mit den Vorschriften. Gerade die sprechen jedoch für eine Mitnahme.

Er habe lange gezaudert, ob er sich an die Presse wenden solle, betont Helmut Oehm. Schließlich wisse auch er, wie schwer es Retter mitunter haben, wenn sie etwa an Unfallorten Angriffen und Beschimpfungen von Gaffern ausgesetzt seien. Bis zu jenem Tag habe sein Zusammenspiel mit dem Berufsstand auch bestens funktioniert. So wie am Morgen des 14. Dezembers. Da stürzte die Frau des 80-Jährigen im Haus des Ehepaars im Markwald. Ein Rettungswagen fuhr Marita Oehm nach Offenbach ins Krankenhaus. Wie bei einem Beinbruch ein paar Monate zuvor sei es kein Problem gewesen, dass er seine Frau begleitet, „was sehr wichtig ist, denn sie hat Alzheimer“. Vor zwei Jahre traten die ersten Symptome auf. Für den Mittag hatten die Oehms Besuch eingeladen. Die heute 72-jährige wollte kochen. Als die Gäste erschienen, stand kein Essen auf dem Tisch. Stattdessen lag Marita Oehm im Bett und schlief. Ein paar Tage später saß sie am Steuer ihres Wagens und fragte ihren Gatten Helmut, was sie machen müsse, um das Fahrzeug zu starten. Da schwante dem Elektroingenieur schon, was die Ärzte diagnostizieren werden: Alzheimer. Marita Oehm konnte die Klinik am 14. Dezember schnell wieder verlassen. Doch am späten Abend erbrach sie sich. Der Verdacht auf ein Schädelhirntrauma lag nahe. Ihr Mann wählte wieder den Notruf. Diesmal kam ein Rettungswagen der Johanniter Unfallhilfe. Als Helmut Oehm einsteigen wollte, erklärte ihm der Fahrer, er dürfe nicht mitfahren. Der 80-jährige erklärt, er habe den Mann auf die schwere Alzheimerkrankheit seiner Frau hingewiesen, „sie ist nicht in der Lage, ihren Namen zu nennen“. Helmut Oehm versichert, es fiel der Satz, „wir sind kein Taxiunternehmen“.

Zwischendurch telefonierte Michael Oehm mit dem Fahrer. Der Sohn des Ehepaares kennt sich aus im medizinischen Metier. Er arbeitet in einer Klinik als Fachbereichsleiter für Gesundheits- und Krankenpflege. Der 42-jährige konstatiert, er habe auch im beruflichen Kontext so einen Vorgang noch nie erlebt. Eindringlich habe er den Fahrer am Telefon gebeten, seinen Vater mitzunehmen, „meine Mutter ist total orientierungslos“. Der habe ihm gegenüber formuliert, „guter Mann, ich habe das so entschieden, akzeptieren Sie das bitte“.

Auf Anfrage unserer Zeitung erklärt ein selbstständiger Notarzt, in solchen Fällen sei man eigentlich dankbar, wenn Angehörige den Patienten begleiten, „man weiß nie, wie ein Alzheimer-Patient in total fremder Umgebung tickt“. Michael Oehm betont, „jeder merkt meiner Mutter an, was mit ihr los ist“.

Sven Korsch, Regionalvorstand der Johanniter-Unfallhilfe, stellt sich vor seinen Fahrer. Die Mitnahme hätte gegen die Krankentransportrichtlinie verstoßen. Die Krankenkasse decke lediglich die Beförderungsleistung des Patienten ab. Dritte müssten mit dem eigenen PKW oder dem Taxi fahren. Korsch verweist auf Datenschutzrichtlinien, „Unbefugte hören sonst den Funkverkehr mit“.

Der Regionalvorstand zitiert aber auch einen Passus der Dienstanweisung, der präzise auf den Fall von Helmut Oehm zutrifft: „Wenn der Patient einen Vormund hat, kann der mitfahren.“ Helmut Oehm versichert, der Fahrer habe ihn darauf nicht hingewiesen. Natürlich sei er als Vormund für seine Frau eingesetzt. Postwendend hätte er die entsprechende Urkunde vorlegen können, „die liegt griffbereit in der Kommode“. Sohn Michael Oehm verärgert der rein formell begründete Umgang. Der Ausbilder führt aus, medizinisches Personal befinde sich automatisch in einer Machtposition, die niemand zum Schaden des Patienten missbrauchen dürfe. Wenn jemand schon die Vorschrift über das Wohl des Menschen stelle, „dann soll er die Vorschrift auch wirklich beachten“.