Dietesheimer Kerb Bevor der Kerbborsch stirbt, ist’s so schön

Kurz geht der Zug mit dem Kerbborsch auch über die abgesperrte Hanauer Straße. Foto: Mangold

Mühlheim (man) – Auf den Kerbborsch ist Verlass. Der stirbt zwar zu jedem Finale an ungesunden Lebensstil, aber im nächsten Jahr berappelt er sich wieder und steht für ein paar Tage wieder auf. Beim traditionellen Umzug holten die Dietesheimer Kappenträger den Kerl am Samstag ab. Die entspannte Fröhlichkeit aller Generationen auf der Dietesheimer Kerb wirkt auch auf jene ansteckend, die Volksfeste sonst eher meiden.

Vielleicht liegt es daran, dass Dietesheim einst per Dekret eher minder begeistert plötzlich zu Mühlheim gehörte. Was Udo Parakenings, der Pfarrgemeinderats-Vorsitzende von San Sebastian, an der Spitze des Zuges immer wieder ausruft, das klingt wie „dennoch bleibt uns was.“ Das Ritual lautet: „Wem ist die Kerb?“ „Unser!“ antwortet der Chor.

An der Hauptstraße vor der Musikschule geht es los, die ganz Dietesheim noch „Schwesternwohnheim“ nennt, das „hinner de Kerch“ liegt. Flankiert wird der Zug von Mitgliedern der Musikvereine Dietesheim und der Eintracht Offenbach aus Bieber.

Und dann erklingt sie zum ersten Mal, diese Melodie. Engländer wunderten sich, was bei einem hessischen Volksfest „God Save the Queen“ zu suchen hat. Der Text hat mit der britischen Königin aber wenig gemein. Fraglich, ob Elisabeth „amused“ wäre, wenn sie von der Selbstbeschreibung der Dietesheimer zu ihrer Melodie wüsste, von „trinkfest und arbeitsscheu, aber dem Kerbborsch treu“, ist die Rede, als ob es die Sekundärtugend noch rausreißen könnte.

Über die Hanauer Straße geht es weiter in die Bettinastraße. Damit nichts passiert, sperren die Helfer vom Freiwilligen Polizeidienst ab. Im Hof der Familie Schwemmler sitzt der dann, der Kerbborsch, der am Ende den viel beweinten Tod finden wird. Bei Schwemmlers bekommt auch Wolfgang Kramwinkel Anschluss an den Zug, bis vor kurzem Ober-Kappenträger und Conferencier der Dietesheimer Fastnacht, der seinen Posten nach 33 Jahren räumte. „Der gefühlte Chef ist er immer noch“, erklärt Kollege Uwe Seyfert.

Kappenträger wird niemand, der postuliert, „ich mach jetzt mit“. Man wird berufen. Er habe sich qualifiziert, erklärt Seyfert, als er sich vor zehn Jahren rund um den Gardetanz von Tochter Vanessa engagierte. Kramwinkel beobachtete ihn, „es scheint, der kann schaffe“.

Auch Lothar Ulitzsch sieht vorbei, Mühlheims prominenter Getränkehändler, der in Dietesheim schätzt, „dass es so familiär zugeht“. Alle Generationen laufen beim Umzug mit, den die Musiker mit Liedgut wie „es gibt kein Bier auf Hawaii“ begleiten. Hier kann das egal sein, auch im Hof von Jenny Beheim gibt es was. Überhaupt braucht niemand auf dem Weg über die fünf Stationen, vorbei an Dietmar Hentschel, den Familien Luckmann und Lemmer und Heiner Beseler, trotz der Hitze Durst zu leiden. Wer noch so alles auf der Kerb war, lesen Sie auf Seite 2