Experten prognostizieren wachsende Population Biber auf dem Vormarsch

Hölzernes Bauwerk: An der Rodaumündung zum Main dürfte sich erst mal niemand über den Biberdamm beklagen.

Mühlheim – Vor rund fünf Jahren haben die Biber ihr Comeback in der Mühlenstadt gefeiert. Insbesondere bei Naturschützern hat die Rückkehr der Nager an den südlichen Abschnitt der Rodau für Freudensprünge gesorgt. Doch längst nicht jeder teilt diese Begeisterung.

Nachdem es in der Vergangenheit bereits mehrfach zu Überschwemmungen und vollgelaufenen Kellern aufgrund der Biberdämme gekommen war, gehen die Meinungen zu den Nagern unter den Bürgern auseinander – auch eine Umsiedelung stand zwischenzeitlich zur Debatte (wir berichteten). Adela Zatecky, Vize-Vorsitzende des Naturschutzbundes in Mühlheim (Nabu), sagt jedoch ganz klar: „Auch Kritiker müssen sich mit dem Biber arrangieren.“

Einst galt der Nager auch in Deutschland als weitestgehend ausgerottet. Um sich vor Feinden zu schützen, gestalten die Tiere ihren Lebensraum daher mit hohem Aufwand. Sie legen mitunter große Staudämme in Fließgewässern an, wodurch Wasser überläuft und nicht selten Keller und Gärten geflutet werden. „Der Biber ist neben dem Menschen das einzige Tier, das seine Umwelt durch bauliche Maßnahmen verändert“, erläutert Zatecky.

Der unter Naturschutz stehende Nager muss sich in hiesigen Regionen kaum mit potenziellen Feinden auseinandersetzen und kann sich problemlos vermehren, wie ein Sprecher des Regierungspräsidiums Darmstadt – verantwortlich für Bibermanagement und Beratung der jeweiligen Gewässereigentümer – bestätigt. „Die Population wird weiter ansteigen und es werden nach und nach freie Gewässerabschnitte besiedelt“, heißt es.

Absolute Bestandszahlen würden zwar nicht erhoben, allerdings habe sich die Aktivität der Nager neben den bekannten Vorkommen an der Rodau in Mühlheim und Lämmerspiel mittlerweile auch nachweislich auf den Main ausgeweitet. Das beweisen auch sichtlich angeknabberte Baumstämme an der Rodaumündung sowie ein dort angelegter Staudamm.

Adela Zatecky zufolge bevorzugen Biber für den Bau ihres Zuhauses in erster Linie Weiden und Pappeln. „Das sind Arten, die sehr gut aus abgebissenen Stümpfen nachwachsen“, sagt die Expertin. Am besten angepasst seien Weiden, bis zu 88 Prozent der gefällten Exemplare trieben wieder aus. „Sie sterben nicht, sondern werden verjüngt“, merkt die Nabu-Vorsitzende an und weißt daraufhin, dass Biber auch durchaus nützlich für die Natur sein können.

Durch die angelegten kleinen Teiche entstünden beispielsweise artenreiche Biotope. Diese seien wichtig, um dem seit Jahren vorherrschenden Insektensterben entgegenzuwirken. Zatecky hält daher nichts von der Idee, die Tiere zu verjagen, nur um den Keller trocken zu halten. „Der beste Schutz gegen den Biber besteht darin, ihn dort zu belassen, wo er ist“, sagt die Naturschützerin.

Ähnlich sehen das auch die Verantwortlichen in Darmstadt: „Eine Umsiedelung der Tiere stellt nur selten eine dauerhafte Lösung dar und sollte nur als allerletzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden.“ Denn bedingt durch die teils rasante Populationsentwicklung der Biber sei es nur eine Frage der Zeit, bis der freie Abschnitt wieder besiedelt werde.

Aus diesem Grund plädiert Adela Zatecky für alternative Maßnahmen. Mithilfe von Drainagegräben oder Abbauten oberster Dammschichten ließe sich ein verträgliches Miteinander zwischen Mensch und Tier arrangieren. „Wir müssen andere Lösungen finden, als immer alles beseitigen zu wollen“, fordert die Nabu-Vize-Vorsitzende.

Angaben des Regierungspräsidiums zufolge reichen die Maßnahmen, die von der Stadt Mühlheim auf Anraten umgesetzt werden, von einfachen Beobachtungen über den Schutz von Gehölzen bis hin zur wiederholten Beseitigung ganzer Dämme. Für die Umsetzung solcher Eingriffe müssten die negativen Folgen jedoch eindeutig auf Aktivitäten der Nager rückführbar sein – nur dann sei ein Abweichen vom Schutzstatus zulässig. „Die vorgeschlagenen Maßnahmen funktionieren, sind aber meist keine endgültige Lösung, sondern bedürfen ständiger Optimierung und Reaktion auf natürliche Entwicklungen“, stellt der Sprecher klar.

Von Stefan Mangold Und Jan Lucas Frenger

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