Die vielfach ausgezeichnete Dietesheimerin Rosel Schmitt verstarb vor 20 Jahren Erinnerungen an ein außergewöhnliches Engagement

Nach Rosel Schmitt benannte die Stadtverordnetenversammlung einst den Bürgerpreis um. Sohn Jürgen Schmitt erinnert sich an seine Mutter. Foto: man

Mühlheim (man) – Nach dem Krieg lagen die Städte in Trümmern. Die Sozialsysteme hatten sich aufgelöst. Rosel Schmitt gehörte zu jenen, die halfen die Not anderer zu lindern, die sie selbst nur all zu gut kannte. Vor zwanzig Jahren starb die vielfach ausgezeichnete Dietesheimerin im Alter von 85 Jahren.

Die Frau gehörte zu denen, die kurz nach dem Krieg den VdK-Ortsverband Dietesheim gründeten. Der Sohn erinnert sich an das ehrenamtliche Engagement seiner Mutter. Jürgen Schmitt erzählt, wie seine Mutter selbst zu jenen Betroffenen gehörte, um deren Belange sich der VdK besonders kümmerte. Wie so viele in seiner Generation, lernte der 79-Jährige seinen Vater nie kennen, „ich kam 1941 zur Welt, mein Erzeuger fiel ein Jahr später in der Sowjetunion“. Um ein Haar hätte es auch Rosel und ihren kleinen Jungen erwischt, „unser Haus in Gießen ging am 6. Dezember 1944 nach einem Luftangriff in Flammen auf“. Zufällig besuchten Mutter und Sohn an dem Tag Oma und Großtante in deren Haus in Dietesheim. Die Ausgebombten blieben für immer.

Rosel Schmitt konnte als eine der wenigen Frauen ihrer Generation ein Abiturzeugnis vorlegen. Nach der Schule absolvierte sie an der Uniklinik in Frankfurt eine Ausbildung zur Medizinisch-technischen Assistentin, anschließend arbeitete sie in einem Sanatorium. Zwei Jahre nach dem Krieg gehörte Rosel Schmitt zu den Gründungsmitgliedern der Ortsgruppe des VdK-Dietesheim. Hunderttausende Mütter mussten damals zusehen, wie sie die Kinder ohne einen Ehemann durchbringen. Deutschland zählte 5,3 Millionen tote Soldaten, elf Millionen saßen nach der Kapitulation in Gefangenschaft. Von den Überlebenden kamen viele mit fehlenden Gliedern, erblindet und psychisch krank nach Hause. „Der VdK hatte also genug Kundschaft“, blickt Jürgen Schmitt zurück.

Seine Mutter stieg im „Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands“ schnell auf. Die Frau galt als Organisationstalent. Für die Gruppe der Witwen und Waisen engagierte sich Schmitt ab 1951 auch überregional, als Mitglied des hessischen Verbandsausschusses des VdK Deutschland, in dem sie ab 1958 im Präsidium saß, ehe sie sich 1974 zur Vizepräsidentin wählen ließ.

„Das war noch eine Zeit, als an der Spitze von Verbänden fast immer nur Männer standen“, konstatiert Jürgen Schmitt, der pensionierte Gymnasiallehrer für Politik, Englisch und Geografie. Seine Generation besuchte in der Jugend nur vereinzelt das Ausland. Durch die internationalen Aktivitäten seiner Mutter, etwa die Vereinbarung von Freundschafts- und Partnerschaftsverträgen des VdK mit ausländischen Kriegsopferverbänden, kam auch der Filius herum, „ich stand unter dem Arc de Triomphe in Paris, vor dem Kolosseum in Rom und der Kathedrale in Helsinki“.

Von Bundespräsident Gustav Heinemann wurde Rosel Schmitt 1974 das Große Bundesverdienstkreuz verliehen. Bürgermeister Werner Grasmück ehrte Schmitt 1975 mit der silbernen Ehrenplakette der Stadt Mühlheim, Ministerpräsident Holger Börner verlieh ihr 1979 den Ehrenbrief des Landes Hessens, 1983 überreichte Bundespräsident Karl Carstens Rosel Schmitt das „Große Bundesverdienstkreuz mit Stern“, als erster Frau Hessens. Vier Jahre später lud Ministerpräsident Walter Wallmann Schmitt zur Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille nach Wiesbaden ein.

Die Stadtverordnetenversammlung beschloss am 5. September 2002, den zwischen 1989 und 2002 zehnmal vergebenen „Bürgerpreis für ehrenamtliche Sozialarbeit“ in „Rosel-Schmitt-Sozialpreis“ umzubenennen. Darüber und über 500 Euro durfte 2003 die Behindertensportgruppe des „Budo-Club Mühlheim“ freuen. Ab 2005 setzte Mühlheim die Verleihung des Kultur- und des Jugendpreises wegen klammer Kassen aus. Aus dem gleichen Grund ruht der Rosel-Schmitt-Sozialpreis seitdem ebenfalls.