„70er-Dance-Party“ mit DJ Gerd Katzmann Erinnerungen an wilde Zeiten werden wach

In den 70er trällerten Blondie, Smokie und Chris Roberts aus den Radios. Egal, wie man‘s fand: An die Lieder kann sich jeder erinnern – und dazu eifrig tanzen Foto: Mangold

Mühlheim (man) – Der Raum sieht genauso wie wie auf Fêten vor 40 Jahren geschmückt aus. Von der Decke hängt buntes Papier, auf dem Fenstersims steht eine Lavalampe. Außerdem muss man schon zweimal hinsehen, ob es sich bei dem schrägen Typen hinter der Sonnenbrille und unter der Baseballmütze tatsächlich um Gerd Katzmann handelt. Er ist es: „DJ Gerd“ lässt am vergangenen Samstag bei der „70er-Dance-Party“ die 50 Gäste so tanzen, wie einst in der Jugend.

Vor dem Eingang sitzt Mario Nöllner und kreuzt alle in seiner Liste ab, die eintrudeln. Eintritt braucht niemand berappen, statt dessen bringt jeder etwas mit. Drinnen erklingt auf einem einem der Plattenteller von DJ Gerd, „Rolling on the river“, der Song, den Tina Turner 1971 zum Welthit werden ließ und eigentlich „Proud Mary“ heißt und von der Creedence Clearwater Revival Band um John Fogerty stammt. Im anderen Raum geht es ruhiger zu. Hier füllen die Leute ein Quiz zum Thema 70er Jahre aus.

Wie hieß der Sportler, der bei den olympischen Spielen sieben Goldmedaillen gewann, lautet eine Frage, die sich auf das Jahr 1972 bezieht. Das Quiz konzipierten Beate Jung und Rita Stenzel. Die meisten wissen, die sieben Goldmedaillen erschwamm der US-Amerikaner Mark Spitz im Münchner Becken, der sich später in Form eines Posters im Zimmer von Beate wieder fand, „denn der sah gut aus“.

Nicht jeder kann hingegen wie aus der Pistole geschossen aufsagen, welcher westliche Popstar als erster seiner Zunft in der UdSSR auftrat, ob Eric Clapton, Bob Dylan oder Elton John. Der Klavier spielende Engländer mit den großen Brillen saß 1979 in Leningrad auf der Bühne.

Rita Stenzel passt wie ein Luchs auf, dass sich niemand mit dem Fragebogen entfernt, „Mario, du bleibst hier“. Denn heutzutage ist es möglich, sich durch einen Blick ins Smartphone etwa zu informieren, dass es bei der Schweizer Volksabstimmung vom 7. Februar 1971 nicht darum ging, den Zuzug von Gastarbeitern zu regeln. Die Männer entschieden über die Einführung des Frauenwahlrechts.

Im selben Raum steht das Buffet. Satt dürften alle werden. An jeder Schüssel hängt der Zettel, aus wessen Küche der Inhalt stammt. Anja Wasserziehr bereitete etwa gefüllte Eier zu, Carmen Schneeweis Frikadellen.

Wasserziehr trägt ein buntes Kleid, dass tatsächlich aus Flowerpower-Zeiten stammen könnte, „ich tippe, das ist sogar selbst genäht“. In Vorbereitung auf die Party hatte sich die Mühlheimerin in einem Secondhandladen für das Textil entschieden. Die 1962 geborene Frau gehörte in der Jugend zu jenen, die „The Sweet“ toll fanden. Aber nicht nur. Die Beatles lösten sich zwar bereits 1970 auf, Wasserziehr erinnert sich jedoch an Nachmittage, „als wir Mädchen begeistert das rote und blaue Doppelalbum hörten“.

Wie intensiv man eine Zeit empfindet, hängt vor allem mit den Eckpfeilern mit der eigenen Biografie zusammen. Ahnen lässt sich das nicht, aber die sportliche Ute Börnert kam schon 1941 zur Welt, „in den 60er Jahren ging ich abends viel weg“. Mit über 30 und verheiratet wirkt die Welt nicht mehr so überraschend wie in der Jugend, „in den 70ern ging es für mich eher beschaulich zu“.

„DJ Gerd“ legt derweil „By the Rivers of Babylon“ von Boney M. auf. Auch wer das Liedgut der Formation damals arg nervig fand, bekommt vielleicht einen sentimentalen Anflug. Beate Jung berichtete von Gesprächen mit anderen aus ihrer Altersklasse, die „Tränen lügen nicht“ oder „Anita“ auswendig mitsingen können, alleine durch das unfreiwillige Mithören im Auto der Eltern oder des Fahrlehrers.

Was sich in der Prüderie der Gegenwart nicht mehr vorstellen lässt, wenn früher sonntags in der Teenydisco „We are the Champions“ von Queen erklang, war das nicht der Soundtrack zu einem Pokalgewinn, sondern das Signal, ein fremdes Mädchen aufzufordern, sich mit einem eng umschlugen langsam im Kreis zu drehen. Jung erinnert sich an die Disko am Bootshaus, wenn man hoffte, dass bei den gewissen Liedern ein bestimmter Junge auf einen zusteuert. Wichtig war es, genau den Blick auszutarieren, der cool wirkt, aber nicht zu arrogant. Dann hätte der ins Auge gefasste Bub eventuell der Mut verlassen.