Das Markwaldtheater in Mühlheim ist Geschichte – Die Erinnerungen bleiben „Als Erstes spielten wir Frau Holle“

Ilona Goldmann mit dem Aktenordner des Markwaldtheaters, das nicht mehr weiter machen konnte. Foto: man

Mühlheim (man) – Die Stadt schicke immer noch die Einladung, am jährlichen allgemeinen Putztag teilzunehmen, auch wenn das Markwaldtheater Mühlheim längst nicht mehr existiert. Auch die renommierte Internationale Opernnacht ist Geschichte, die sich ebenso wie das Markwaldtheater nicht vom Namen Ilona Goldmann trennen lässt. Die in Frankfurt-Sachsenhausen aufgewachsene Schauspielerin und Regisseurin sitzt seit Kurzem für die CDU im Stadtparlament. Goldmann will sich nun politisch für Kultur in Mühlheim einsetzen. In den 60er Jahren spielte Ilona Goldmann in acht der 51 Folgen der HR-Produktion „Die Firma Hesselbach“ jugendliche Rollen. Damals trug die Serie das Prädikat „Straßenfeger“. Die höchste Einschaltquote lag bei 94 Prozent. Das erreichte noch nicht mal das WM-Endspiel von 2014. Goldmann absolvierte ihr Schauspielstudium an der Frankfurter Hochschule für Musik und darstellende Kunst, gehörte Jahre lang zum festen Stamm des Volkstheater-Ensembles von Liesel Christ, spielte am Schauspielhaus Frankfurt und am Fritz Remond Theater am Zoo sowie im Kleinen Haus des Darmstädter Staatstheaters. Nach Mühlheim zog es die Sachsenhäuserin einst, weil ihr Mann, der Musiker Günter Goldmann, hier schon lebte. Der Bürgermeister hieß Werner Grasmück, als Goldmann 1975 das Markwaldtheater aus der Taufe hob, „Grasmück unterstützte uns“. Das galt auch für Roland Hallwirth, der Komponist und Geiger, der die Musikschule Mühlheim im gleichen Jahr gründete und die Schauspielerin im Ort anspitzte, ein Theater aufzumachen. „Als erstes spielten wir ‘Frau Holle’“, erinnert sich Goldmann an die Vorstellungen mit erwachsenen Schauspielern für ein Publikum von Kindern. Als Höhepunkt in der Historie des Markwaldtheaters empfindet die Künstlerin die Aufführungen von „Ein Käfig voller Narren“ im Frühjahr 2009, das Theaterstück des französischen Autoren Jean Poiret: „Das Publikum in der Willy-Brandt-Halle tobte.“ Eine Requisite von damals steht heute in Goldmanns Garten.

Die Halle brachte kein Glück mehr. Kultur läuft nicht ohne Sponsoren. Jeder Mühlheimer Verein habe zwar das Recht, einmal im Jahr das große Bürgerhaus unentgeltlich zu nutzen, „aber für ein Theater reichen die paar Stunden nun mal nicht“. Es kommen die Zeiten für Aufbau, Abbau und Proben hinzu. Die Kosten hätten sich so stark geläppert, dass man 2013 die geplante Produktion des Grimmschen Märchens „Hänsel und Gretel“ absagen musste, „wir hätten die Miete nicht stemmen können“. Dann probte das Markwaldtheater die Komödie „Romeo mit grauen Schläfen“ von Curth Flatow.

Zwei Vorstellungen standen für April 2014 auf dem Plan. Zwei Tage vorher starb ein Darsteller, „es war ein Kampf, die Miete erlassen zu bekommen“. Ende des Jahres lehnte die Mehrheit im Stadtparlament noch den Zuschuss von 440 Euro für das Markwaldtheater ab. Später gingen noch die Kulissen bei einem Wasserschaden im Keller der Halle quasi unter, „wir konnten nur noch den Sperrmüll bestellen“. Nach vierzig Jahren Markwaldtheater strich der Verein die Segel.

Der von Ilona Goldmann über Jahre organisierten und moderierten Internationalen Opernnacht, zu der stets bis zu 800 Besucher aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet kamen, ging es ähnlich. Die Sparkasse Langen-Seligenstadt habe das Ende ihres finanziellen Engagements verkündet, als die Verträge für die nächste Opernnacht schon unter Dach und Fach gestanden hätten. Die Sopranistin Virginia Goldmann, Interpretin der Nächte und Tochter der Schauspielerin, telefonierte sich mit Engelszungen durch die Kollegenwelt, die auf ihren Anspruch auf Gage hätte beharren können.

Anders als in Österreich oder Frankreich spielt hierzulande die Kultur im öffentlichen Leben eine Nebenrollen, wenn überhaupt. Hierzulande muss sich kein Politiker grämen, ein Fagott nicht von der Oboe unterscheiden zu können und Mozart nur im Kontext einer Schokoladenkugel zu kennen. Das kulturelle Leben in Mühlheim sieht Goldmann weitgehend brach liegen, „Bierfest und Fastnacht: Viel mehr zählt nicht“. Im Stadtparlament wolle sie dafür arbeiten, dass sich das ändert.