Johannsens Wechsel glich keinem Sprung ins kalte Wasser. Die Frau gehörte 2006 zu den Gründern der Montessori-Schule. Ihr ältester Sohn, der mittlerweile Physik studiert, fing in der ersten Klasse an. Die gebürtige Niedersächsin spricht über den pädagogischen Leitgedanken, den die 1951 im Alter von 81 Jahren verstorbene italienische Medizinerin und Philosophin Maria Montessori formulierte, „die Eigengesetzlichkeit des Kindes steht im Vordergrund“. Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen. Die Aufgabe der Lehrer sei es, „die Angebote für die Schüler so zu modellieren, dass sich der einzelne seinem inneren Bauplan entsprechend entwickeln kann“. Generell sehen sich Reformpädagogen mit dem Klischee konfrontiert, „da wird doch nichts gelernt“. Johannsen skizziert die Verhältnisse in einer „normalen“ Schule, wenn nach einer Mathematikarbeit ein Notenschnitt von 3,0 an der Tafel steht. Das genüge zwar dem System, spiegele jedoch nur wieder, „dass die meisten den Stoff nicht wirklich verstehen“. Das Gegenteil lasse sich nur bei jenen vermuten, unter deren Arbeit die Zensuren „sehr gut“ und „gut“ stünden, „nur eine Minderheit hat es tatsächlich kapiert“. Noten bekommen Montessori-Schüler erst, wenn es Richtung staatlich anerkannten Haupt- und Realschulabschluss geht. Die Mehrheit wechselt im Anschluss auf ein Gymnasium.
„Hab‘ Geduld, meine Wege zu begreifen, sie sind vielleicht länger, vielleicht brauche ich mehr Zeit“, lautet ein Prinzip. Jeder der 147 Schüler wird von den 27 Lehrkräften so individuell wie möglich betreut. Die Überflieger müssen sich nicht mit Dreisatz langweilen, sondern können sich etwa schon der Differenzialrechnung widmen. Wer mit Dreisatz aber noch Probleme hat, darf die erst lösen, eher er sich mit Sinus und Cosinus beschäftigt. Auch an der Montessori-Schule gilt, „am Ende soll jeder zumindest Grundlagen beherrschen“. Die Lockdown-Phase stemmte man eleganter als die meisten anderen Bildungsstätten. Während die Gymnasien die ersten zwei Wochen um Orientierung rangen, brauchte man an der Carl-Zeiss-Straße das Wochenende, um die Technik für den digitalen Unterricht zu gestalten, „natürlich können wir als kleine Einheit wesentlich flexibler reagieren“. Eltern unterschreiben mit der Anmeldung ihres Kindes, sich für die Belange der Schule zu engagieren. Jeder bringt sich für mindestens 40 Stunden pro Jahr ein, egal auf welchem Feld, ob für die Organisation von Festen oder die Lösung von IT-Fragen.