Dietesheimer Hofflohmarkt lockt Besucher aus der ganzen Region an „Für viele die erste Veranstaltung seit einem halben Jahr“

Den Erlös der selbstgebastelten Fingerpuppen und der hölzernen Halsketten spenden Merle und Helene den SOS-Kinderdörfern. Foto: m

Mühlheim (m) – „Viele haben Redebedarf“, schließt Marion Winter aus Gesprächen mit anderen Teilnehmern. Bei den Dietesheimer Hofflohmärkten ging es nicht allein darum, ein günstiges Schnäppchen zu ergattern. Für viele Bewohner des feierlustigen Stadtteils und Besuchern von weit her war es die erste Veranstaltung unter freiem Himmel seit einem halben Jahr. Da stört auch ein feiner Nieselregen die Begegnungen nicht.

Fast 50 Haushalte zwischen Friedhof und Untermaintor, Wendelinuskapelle und Lenne haben sich angemeldet, Aussteuer-Wäsche aus dem vorletzten Jahrhundert auf Campingtischen gestapelt, Hokaido-Kürbisse aufgereiht und das Silberbesteck von der Oma rausgestellt. Kinder werben unter einem Pavillon in Versen für ihre selbst gebastelten Fingerpuppen und hölzernen Halsketten.

Merle und Helene geben die Figuren zugunsten der SOS-Kinderdörfer ab. Den Erlös aus Bücher, Schmuck und Spielzeug teilen sie sich. „Ham sie was Elektrisches?“ - Ja, einen Grill, aber der kann die Jungs vor dem Hof am Untertor nicht zu begeistern. Bei Birgit Möller laufen vor allem die Schallplatten gut. Eine Kundin habe entzückt die „New Kids On The Block“ entdeckt und mitgenommen, obwohl sie gar keinen Plattenspieler besitze. Auch für die Erzieherin scheint es der wichtigste Effekt der Flohmärkte zu sein, dass man in diesen Zeiten ins Gespräch kommt.

Im Unterort weisen Schlitten in verschiedenen Größen den Weg zur Scheune. Karl Rauch führte früher das Krippen-Fachgeschäft an der Hanauer Ecke Hauptstraße. Jetzt empfängt er zahlreiche Stammgäste im Anbau. Da sind flammende, hölzerne Herzen aufgereiht mit eingebrannten, schlauen Sprüchen, ausgesägte Vögel, Katzen, Uhus und Waldkäuze. Die Langohren heißen hier „lustige Hasen“, die ausgesägten Motive und Kerzen des Adventskranz’ können dank ihrer „Füße“ ausgetauscht und umgesteckt werden.

„Es sind alle sehr anständig und tragen Masken“, lobt der Verkäufer. Bei Ehefrau Elke Rauch und Yasmin Lender gehen Schuhe und Bücher ganz gut, gegenüber der Gustav-Adolf-Kirche sind’s Seifen, die Christine Appel selbst herstellt: Ohne Mikroplastik, dafür mit dem Duft von Lavendel, Eukalyptus oder Mango-Maracuja, und diese Gerüche vertreiben Motten! Neben Haarseife und solche aus Fritten-Fett hat die Altenpflegerin ein Dietesheimer Dirndl kreiert, handgenäht mit Froschgoschen und Fledermäusen drauf.

Den meisten Beteiligten sei „viel wichtiger als die Ware, dass was los ist“, erklärt Organisatorin Winter. Auch in ihrer Einfahrt zum wildromantischen Garten und in ihrem idyllischen Lädchen im Backstein-Anbau treffen sich immer wieder Kunden zum Plausch. Der Regen lässt die Ware unter Plastikplanen verschwinden, „aber echte Flohmarkt-Freunde sind wetterfest“, stellt die Initiatorin klar, dass fast keiner früher abbaut. „Wir haben im Vorfeld Plakate gedruckt und verteilt, Ballons und Pläne mit den Standorten verteilt“, schildert die Geschäftsfrau, „da gibt man nicht bei einem bisschen Regen einfach auf“.

Vier Euro hat jeder Beschicker für die Werbung bezahlt. Klar, bei Sonnenschein wären noch mehr Leute durch die Straßen gezogen, aber auch so sind Besucher bis aus Frankfurter, Büdingen und den Nachbarorten angereist. Selbst die Einladung zu Kaffee und Kuchen ist den gastfreundlichen Nachbarn untersagt, Masken erzwungen. Uniformierte kontrollieren die Einhaltung der Regeln, berichtet Winter. Die Hobbyhändler lassen sich die gute Laune nicht nehmen. Bianca Kowalski hat schon Kindersachen und eine Nudelmaschine verhökert, obwohl sie in der Taunusstraße abseits vom Zentrum liegt. Michael Trier hat kleine Bildchen auf Blattgold aus der Sammlung seines Schwiegervaters mit Zertifikat ausgebreitet und eine schwere Bibel mit Platz für einen Stammbaum. Dafür kann sich zwar niemand erwärmen, aber er plaudere mit den Leuten, und das sieht Trier „sehr positiv und zufrieden“.