Dietesheimer Flohmarkt so vielfältig wie das Örtchen selbst Ganz Dietesheim trödelt

Melanie Markus mit Tochter Celina am Stand im Hof der Kindervilla Basalto . Foto: man

Mühlheim (man) – Warum etwas wegwerfen, wenn es andere noch gebrauchen können, warum etwas für viel Geld neu kaufen, wenn es gebraucht viel weniger kostet? Zum dritten Mal hieß es am Samstag, den 28. September „ganz Dietesheim trödelt“. Wo Luftballons am Hoftor hingen, gab es alles mögliche günstig zu kaufen.

An der Hauptstraße steht auch das Tor von Inge Zortea offen. Die Frau ist seit 32 Jahren verheiratet. Ein Hochzeitsgeschenk von damals bietet Zortea originalverpackt an. Der Grund klingt plausibel, „was will ich mit der 17. Tortenplatte?“. Andere haben noch keine.

Vor knapp einem Jahr starb die Schwiegermutter, bei der sich im Lauf der Jahre ebenfalls einiges ansammelte, was jetzt zum Verkauf steht. Zortea bietet außerdem Sektflaschen an, ohne Festpreise, sondern gegen eine Spende für den Verein „Dietesheimer Schiffschaukel“. Gatte Reiner Zortea, ein Mann mit zwei rechten Händen, hatte das prominente Teil mit großem Aufwand technisch wieder in die Spur gebracht. Sohn Nick agiert als Vorsitzender im Schiffschaukel-Club.

Schräg gegenüber der Zorteas laden Elke und Karl Rauch zu sich ein, wie zu jedem Flohmarkt. Zwei Jahrzehnte betrieben die beiden an der Hauptstraße 20 „Rauch Holzschnitzereien“. Ob Katzen, Eulen oder Weihnachtgrippen, alles Unikate aus den Händen von Karl Rauch. Das Ehepaar verkauft nach wie vor auch in Dietesheim, nur nicht mehr im eigenen Geschäft, dafür im heimelig eingerichteten Anbau.

Auf der Kleiderstange im Hof hängen Männerjacken und Jacketts, die alles andere als abgerissen wirken, ebenfalls aus einem Nachlass. Karl Rauchs Vater starb mit 95 Jahren im April.

Der 71-jährige Sohn erzählt aus dem Leben des Vaters, der als 19-jähriger mit drei anderen Männer aus der Hanauer Gegend der Kriegsgefangenschaft in Süd-Tirol entfloh, „sie liefen nur nachts und brauchten vier Wochen nach Mühlheim“.

Zum ersten Mal nimmt die „Kindervilla Basalto“ teil, die in der einstigen Johann-Hinrich-Wichern-Schule an der Kirchstraße firmiert. Wer in der Kindervilla in den Hort geht, hat alleine schon mal Glück, was die Architektur betrifft. Die meisten Kinder dürften das empfinden, was die stellvertretende Leiterin Alexandra Mollbach über den Klinkerbau mit den hohen Decken aus dem 19. Jahrhundert konstatiert, „man fühlt sich wohl drin“.

Mollbach verkauft mit Kolleginnen Kaffee zu Gunsten der Villa. Nebenan betreut Mutter Gaby Mollbach den Stand, wo es unter anderem Töpfe zu kaufen gibt, die einst „Oma Hilde“ gehörten, der Großmutter von Alexandra. Oma Hilde erlebte einen Tod, den sich die meisten so ähnlich wünschen, wenn das Lebensende schon mal sein muss. „Sie starb beim Stricken am Herzschlag“, erzählt Gaby Mollbach, die Frau, von der aus Politik und Fastnacht mehr als nur das halbe Mühlheim weiß.

Gegenüber verkauft Melanie Markus das, was in ihrer Familie wohl niemand mehr brauchen wird: Kinderkleider, denen der eigene Nachwuchs entwachsen ist. Außerdem bietet die Dietesheimerin Kochbücher an, die man sich irgendwann mal besorgte oder geschenkt bekam, um dann doch nur einmal ein Rezept zu zelebrieren.