Weihnachtsmarkt-Revue der Kirchturm Komödianten Ein Hauch von Glühwein-Duft

Initiator Stefan Heberer (links) mit dem Akkordeon während der Weihnachtsmarkt-Revue der Dietesheimer Kirchturm Komödianten. Foto: M

Mühlheim – Und es gibt doch einen: Auch wenn allein die Kirchturm Komödianten „Uff em Weihnachtsmarkt“ Glühwein schlürfen, vor einer einzigen Bude auf der Bühne des Pfarrheims St. Sebastian in Dietesheim Kishon zitieren und Dean Martin imitieren. Die Kolpinger zeigen mit ihrer Revue, dass mit Kreativität, aber eine Nummer kleiner auch in Pandemiezeiten Kultur und Tradition möglich sind.

Da kündigt der eine Schwab den anderen an. Thomas versucht die Zeit zu überbrücken, bis Stefan im Nikolaus-Kostüm steckt. Ohne das rote Gewand keine Adventsstimmung, das gilt auch für die Theaterrevue der Gruppe. „Wir freuen uns riesig“, beschwört der Bartträger „weil die Leute hier genauso verrückt sind wie wir“. Die zwei Dutzend Gäste am Samstagabend sollen überzeugt werden, gestern waren es fast doppelt so viele.

„Ich bin hier der Sprecher der Beschicker“, verkündet „Nikolaus“ Stefan Schwab, „wir sind ein seriöser Markt, kein Kasperltheater.“

Dreh- und Angelpunkt ist der Betreiber der „Glühwein-Bud’ in fünfter Generation“. So ein Markt sei „Hölle und Paradies zugleich“, Ort für „Tages-Alkoholismus“, der den „Schrecken von der Arbeit“ nehme, des Dufts von Glühwein, gebrannten Mandeln und Kartoffelpuffern, „asiatischer Schmurgelpfanne und gesundheitsfördernder Kräuter-Guzjer“.

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Trotz der Kommerzialisierung möge man dran denken, „Jesus Christus ist nicht in einer Limonaden-Destille in Atlanta geboren“, mahnt der Glühwein-Verkäufer.

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Ein Paar greift die alte Diskussion um „Mal nix schenken“ auf: „Sag doch, dass du kein Bock hast, mir was zu schenken.“ Komödianten-Kopf Stefan Heberer liest als Herr Heberer über „die beste Ehefrau von allen“ (Kishon), die sich auch Gedanken über Weihnachten und Präsente macht. Doch die Wohnung verfügt bereits über elf „zauberhafte Stehlampen“, vielleicht kann sie ihn mit einer Wasserpfeife überraschen?

Noch mehr Atmosphäre verbreitet der „Dean Martin von Dietesheim“, Helmut Born schmettert mit rauchiger Stimme und zum Playback vom verhüllten Laptop, „Everybody Loves Somebody Sometimes“. Von Louis Armstrong folgt „Wonderful World“, „Perhaps Love“ von John Denver und Placido Domingo gelingt ihm mit kraftvoller Stimme im Duett mit Heberer. Nach der Pause gibt Born noch die „Strangers In The Night“ und andere US-Hits zum Besten.

„Normaler Glühwein oder mit Heidelbeeren? Kostet 50 Cent mehr.“ Heberer verbrennt sich die Schnut’, lamentiert an der Seite von Schwab über das Gedränge auf dem Weihnachtsmarkt in der Apfelbaumgass’: „Forschbar! Keine 50 Zentimeter zwischen Glühwein und erzgebirgischer Kunst.“ Frischen Wind bringt „Die Alte Schachtel“: Ulla Walter aus Hainburg singt „was rischdisch Knaggisches“, die Wirtschaftswunder-Hits der 50er und 60er Jahre.

„Ich will keine Schokolade“ dröhnt nach Trude Herr aus den Boxen, dann die „Sexy Hexy“ und weitere Titel, die viele Besucherinnen und Besucher im Saal in ihre Jugend zurückversetzen. Sie würdigen mit viel Applaus die kulinarisch-künstlerische Geselligkeit, die im Original unter freiem Himmel nicht ist.

VON MICHAEL PROCHNOW