Nur rund 150 Gäste kommen zum Seniorennachmittag Hitze macht einen Strich durch die Rechnung

Beim Seniorennachmittag in der Willy-Brandt-Halle hatte Bürgermeister Daniel Tybussek viel Zeit zum Plausch mit älteren Mühlheimern, so wie hier mit Helmut Euler. Foto: man

Mühlheim (red) – Ende Mai hatte Rudi Härtl, der Wirt der Probierstube, mit Freunden auf der Jean-Monet-Straße ein Straßenfest organisiert. Kein Selbstzweck: Die Einnahmen sollten in eine Veranstaltung für Mühlheimer Senioren in der Willy-Brandt-Halle fließen. Jetzt war es so weit, Rudi Härtl und seine Helfer hatten sich mit Café und Kuchen, belegten Brötchen und Bier für 600 Gäste gewappnet.

„3200 Euro kamen zusammen“, erklärte Horst Schweikard, einer der Organisatoren, bevor es los ging. „Dazu steckten noch viele Mühlheimer dem Rudi ein Kuvert zu“, sagte Bürgermeister Daniel Tybussek während seiner Begrüßung für jene Mühlheimer, „die nach dem Krieg alles wieder aufgebaut haben“. Es soll genug Geld als Grundstock übrig sein, um im nächsten Jahr eine ähnliche Sache zu organisieren.

Einen Wermutstropfen gab es aber:. Es machten sich weit weniger auf den Weg in den Willy-Brand-Halle, als sich Härtl und seine Mitstreiter erhofft hatten. Mit der Ursache dafür konnte niemand im Vorfeld rechnen: Vielen war es zu heiß, um durch die Sonne zu laufen, sonntags fährt außerdem kein Bus. Wer ein Fest auf Mai oder Juni terminiert, der kann verlässlich mit Regen rechnen. Daran, dass die Temperaturen in unseren Breitengraden Mitte September die 30 Grad überschreiten, erinnerte sich auch eine Frau des Jahrgangs 1935 nicht. Sie wollte ebenso wie ihre Schulfreundin am Tisch gegenüber auf keinen Fall ihren Namen verraten. Bedauerlich, schließlich hat die Mühlheimerin Interessantes für die Nachkriegsgeschichte der Stadt zu erzählen. Als Zwölfjährige musste sie mit Eltern und Geschwistern in Folge der Benes-Dekrete über Nacht ihre Heimat im tschechischen Mähren verlassen.

Nicht selten seltsame Details, die ein Leben lang im Gedächtnis bleiben. Die 81-Jährige weiß noch genau, wie die Suppe schmeckte, die es beim Umsteigen von einem Viehwagon in den anderen auf dem Bahnhof in Prag gab: „Ungenießbar scheußlich“. Über einen Zwischenstopp im Aufnahmelager in Büdingen kam das Mädchen nach Mühlheim, „am 16. August 1947. Auch damals war es heiß“.

Seltsam klang der Schulunterricht in der Fremde. Zwar sprachen die Mitschüler angeblich Deutsch, „aber ich verstand kein Wort“. Heute lässt sich nicht mehr heraushören, dass die Frau Hessisch einmal als Fremdsprache erlebte.

Herzlich sei sie auf der Volksschule von den anderen 62 Mädchen in der Klasse aufgenommen worden. Im Ort lernte sie auch ihren Gatten kennen, „der Glücksgriff meines Lebens“. Ihr Mann verstarb aber schon mit 52 Jahren an einer Krankheit. Den Rudi kennt sie seit dessen Kindheitstagen, „auch ich wohnte in der Nähe von St. Markus“.

Härtl begrüßte mit Joachim Rausch, Jörg Knipp und Salva am Eingang die etwa 150 Gäste, die der Hitze trotzten. Die drei gehören dem Donnerstagsstammtisch an, der sich seit vier Jahren in der Probierstube trifft und bei Rudi besonders schätzt, „dass es sich um eine richtige Kneipe handelt“. Die Gattinnen der Stammtischfreunde schenkten derweil Kaffee aus, den Michael Blank vom Mühlheimer Kaffeeservice sponserte. Die Brauerei Schlappeseppel versorgte jene, die etwas Kühles bevorzugten.

Rudis Wirtschaft ohne Schnickschnack schätzt auch Helmut Euler. Der 89-jährige Friseurmeister vom gleichnamigen Salon schräg gegenüber der Probierstube kommt seit Jahren freitags zum Skat vorbei. Euler assistierte auch dem Mühlheimer Multitalent Stefan Heberer, der als Zauberer auf die Bühne ging, Bauchredner Andy Franz trat mit Puppe Konrad auf.

Am Ende konnte sich jeder Kuchen mitnehmen. Auch wenn weniger kamen als erwartet, herrschte unter den Helfern der Grundtenor, die Geschichte auf jeden Fall im nächsten Jahr zu wiederholen.