Nach der Vereinsgründung vor 25 Jahren folgt eine beispielhafte Entwicklung Mühlheimer Artifical Family ist anders als andere Vereine

Zur Feierstunde kamen unter neben anderen auch der frühere Bürgermeister Karl-Christian Schelzke und der amtierende Rathauschef Daniel Tybussek. Foto: Prochnow

Mühlheim (m) – Eine Revolution wird 25. Anno 1992 kam ihre Gründung fast einer Neuerfindung des Vereinswesens gleich. Inzwischen haben sich die alternativen Veranstaltungsangebote der Artificial Family einen festen Platz im Vereinsleben der Mühlenstadt erobert.

Das Jubiläum feierten Mitglieder und Ehrengäste auf dem Gelände am Grünen See mit einem launigen Rückblick auf ein Vierteljahrhundert „künstliche“ oder auch „kunstvolle Familie“. Markus Darr, heute Zweiter Vorsitzender der „Artis“, erinnert sich: Im April 1992 saßen 20 Freunde im Grünen-See-Eck und beschlossen die Gründung der „Family“.

„Der Großteil waren Mühlheimer aus bürgerlichem Haus und der Jahrgänge 1967 bis 1972. Eigentlich galt ein Verein als uncool und spießig.“ Aber irgendwie entwickelte sich die Idee, Musik zu machen. Sie kauften Gitarre, Bass und Schlagzeug, obwohl keiner die Instrumente spielen konnte. Die drei Probenräume im Juz waren ausgebucht und keine Band wollte ihre Unterkunft mit einer anderen teilen. Also bauten die Freunde ganz dreist einen Platz in der ehemaligen Schanz-Halle um. Weitere Leute kamen dazu, darunter erfahrene Musiker. Bald beherbergte der Saal fünf Gruppen, die „manchmal im 24-Stunden-Betrieb“ probten.

1991 organisierten Darr & Co. das erste Festival in der Steinkaute. Bei einem Auftritt bei Focus Obertshausen wurden sie als „Artificial Family“ angekündigt – der Name blieb. Die Gruppe teilte Vorstellungen von einer gerechten Gesellschaft und die Idee, Kultur zu fördern. Die Satzung für die Gemeinschaft entliehen sie sich von den Obertshausenern. Nach der Gründung stieg das erste Musik-Fest im Zelt im Augenwald. „Im Rathaus hatten wir immer Freunde und Gönner, aber auch die, die uns kritisch beäugten. Wir mussten die Spielregeln lernen.“

Verhandlungen mit Bürgermeister

Bürgermeister Karl-Christian Schelzke, „einer, der irgendwie auch mit der 68er Bewegung zu tun hatte“, begegnete ihnen mit einem „Stückchen Lockerheit, während einige der Etablierten vielleicht einfach Angst vor uns hatten“. 1993 lief dann das erste Steinbruch-Festival auf dem Grillplatz: Drei Tage Livemusik, sieben Tage waren 100 Leute vor Ort im Einsatz. Das Chaos hatte auch Charme, täglich strömten bis zu 2.000 Besucher aufs Gelände. Es folgten Auflagen vom Ordnungsamt, aber auch ein reger Austausch mit den Behörden, berichtet der Mitgründer. Parallel starteten die Artis eine Konzertreihe im Juz. Lebenskünstler, Freaks, „aber auch ganz normale Menschen“ kamen und gingen, der Kern des Vereins blieb.

Der Verein hatte noch kein Gelände, aber eine Blockhütte von einem Diamantenhändler im Taunus. Zwei Mitglieder sind für den Kauf, eines dagegen, zehn enthalten sich, und doch: 60 Personen registrieren, fotografieren und demontieren über sechs Wochen jedes Teil, transportieren das Material mit 42 Lkw-Ladungen zur alten Pelzhütte, beschreibt Vorsitzender Felix Frost. Das Konzept Ökohaus konnte starten, weil Schelzke ihnen auf 50 Jahre das alte Gelände der Angler verpachtete. 160.000 Mark an Bank- und Privatdarlehen müssen die Kreativen in die Hand nehmen. Seit 2005 werden im Keller Sessions gespielt und trommeln geübt, Augen- und Ohren-Bad, Sommerfest und Helloween-Party, Frühstückcafé und Kneipenabend, Yogakurse, Meditation und Kindersingen erfüllen das Haus, das auch privat vermietet wird.

90 Mitglieder im Jubiläumsjahr

Mehr als 500 Bands und 150 Djs spielten, 90 Mitglieder zählt der Jubilar heute. Schelzke und Bürgermeister Daniel Tybussek lobten jetzt die Bilanz, Josef Zepezauer von den Concordia-Chören und Michael Rupp vom Verkehrs- und Verschönerungsverein gratulierten. Nach der offiziellen Feierstunde folgte das, was bei den Partys der Artis immer läuft. Musik, Musik, Musik: Der Steinheimer Chor Ton-in-Ton, die Obertshausener Musiker Grolig Brothers, die Batucada Trommelgruppe und weitere Künstler unterhielten. In einem Raum hat der Vorstand mit Fotos und Zeitungsartikeln eine Ausstellung zusammengestellt, eine kleine Rückschau.