Massenmord darf nicht in Vergessenheit geraten Mühlheimer Schüler beleuchten Auschwitz

Die diesjährige Präsentation des Auschwitz-Projekts des FEG nimmt starken Bezug zur Gegenwart und stellt die grundsätzliche Frage, was Menschen treibt, einander zu quälen. Foto: Mangold

Mühlheim (man) – Zum 27. Mal organisierte das Friedrich-Ebert-Gymnasium als Teil des Geschichtsunterrichts sein Auschwitz-Projekt. Wie jedes Jahr besuchten im vergangenen September rund 40 Schüler und vier Lehrer mehrere Tage das frühere Konzentrationslager, dessen Namen wie kein anderer als Synonym für Massenmord steht. Am Freitag stellten die Teilnehmer in Dietesheim im Pfarrheim von St. Sebastian das Ergebnis des Projekts vor, das Geschichtslehrer Michael Schmidt maßgeblich betreute.

Schulleiter Stefan Sturm, der ebenfalls in Auschwitz dabei war, spricht von einem „ausverkauften Haus“. Bevor es losgeht, bauen die Oberstufenschüler noch eine weitere Stuhlreihe auf. Selten spannte ein Auschwitz-Projekt so den Bogen zur Gegenwart, selten stellten die Schüler so eingehend die grundsätzliche Frage, wie es möglich ist, was Menschen treibt, einander derart zu quälen. Als Resümee spricht eine Schülerin am Ende des Vortrags, seit dem Besuch in Auschwitz frage sie sich, wenn ihr gegenüber jemand ausgesprochen nett auftrete, „wie hättest du dich im KZ verhalten?“ – „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“, steht einmal das römische Zitat an der Wand, das der englische Philosoph Thomas Hobbes bekannt machte.

Nicht an Tabubrüche gewöhnen

Schulleiter Sturm warnt, sich an Tabubrüche zu gewöhnen, an veränderte Sprechweisen, die sich in einem Begriff wie „alternative Fakten“ ausdrückten. Davon sprach vor kurzem Sean Spicer, der Pressesprecher des US-Präsidenten. Auch Bürgermeister Daniel Tybussek redet über die Gegenwart, von den etablierten Parteien, denen es misslinge, mit den Sorgen der Bürger umzugehen. „Es ist bequem, unmündig zu sein“, formulieren die Schüler, als es darum geht, wie die große Mehrheit Hitler als gottgleichem Führer folgte. Die Vortragenden tragen das nachgestellte Interview mit einer überlebenden Mühlheimer Jüdin vor. Die Frau erzählt von der Abfolge der Schikanen, vom Boykott gegen jüdische Geschäfte 1933, von den Rassegesetzen 1935, dem Berufs- und Gewerbeverbot und der „Reichskristallnacht“ 1938, ihrer vorübergehenden Internierung im KZ Buchenwald, ihrer späteren Internierung in den Lagern von Sobibor und Auschwitz. Als eine Erkenntnis der Rede bleibt: Werden Rechte scheibchenweise beschnitten, bleibt am Ende kein Recht übrig.

Ein Bild zeigt die Stolpersteine in Mühlheim. Etwa den von Sonja Chmielnick, die im Alter der Gymnasiasten schon tot war. Sonja starb mit 15 Jahre in Treblinka, wo die meisten Mühlheimer Juden umkamen, die sich 1942 zum Abtransport an der Marktstraße sammelten. Ein anderes Foto bildet eine der Baracken in Auschwitz von Innen ab. DieTortour kannte keine Pause. Nicht wenige der 800 Insassen, die sich bis zu sechst eine Pritsche teilen mussten, werden morgens froh gewesen sein, wenn die Nacht in der von Fäkaliengestank getränkten Luft ein Ende hatten.

Nebenklägerin Eva Mozes Kor

Und dann ist von Eva Mozes Kor die Rede, einer 1934 zur Welt gekommenen jüdischen Rumänin. An Eva und ihrer Schwester Miriam verging sich Dr. Josef Mengele mit seinen Zwillingsexperimenten. Eva Mozes Kor trat im Prozess gegen den SS-Mann Oskar Gröning als Nebenklägerin auf. Den damals 95-Jährigen verurteilte das Landgericht Lüneburg 2015 zu vier Jahren Haft. Gröning ist einer der ganz wenigen Täter, der nicht versuchte, sich aus der Verantwortung zu lavieren. Am Ende nahm Eva Mozes Kor seine Entschuldigung per Handschlag an. Das brachte ihr Kritik ein, der Mozes Kor mit dem Hinweis entgegnete, „ich mach das für mein Leben“. Die FEG-Schüler werfen ein weiteres Bild an die Wand. Zu sehen ist eine nach vorne schauende Masse. Hunderte heben den rechten Arm zum Hitlergruß. Um einen Mann ist ein Kreis gezeichnet. Er beobachtet die Szenerie mit verschränkten Armen.