Mühlheimer Gastronomie öffnet nach der Zwangspause wieder die Türen „Müssen uns neu erfinden“

Wiedereröffnung unter besonderen Maßnahmen: Auch bei der Wirtsfamilie des Forsthauses in Mühlheim. Foto: m

Mühlheim (m) – Die meisten Restaurants haben wieder geöffnet, und dennoch ist Vieles neu. Im „Forsthaus“ wartet auf die Gäste ein automatischer Desinfektionsspender, Besteck kommt in der Bestecktasche, Tische und Stühle werden nach dem Verlassen der Gäste gereinigt, die Servicekräfte tragen Mundschutz und Gummihandschuhe, darunter Stoffmodelle, um ihre Haut zu schonen, erläutert Mandy Trambatz. Auch die müssen gewechselt werden, nachdem zwei, drei Gästen bedient wurden, fährt die Verlobte des Juniorchefs fort. „Manche sorgen sich wegen des Virus’, die Lockerungen ängstigen sie zusätzlich“, beobachtete die Mitarbeiterin. „Der Wohlfühl-Faktor fehlt, die Bedienung mit Mund-Nase-Schutz wirkt befremdlich.“ Das zehnköpfige Team an der Ulmenstraße würde gerne mehr Gastfreundschaft ausstrahlen, aber das verbieten ihnen die Erlasse. Das Forsthaus hat von Tag eins der Zwangsschließung eine Abholung eingerichtet. „Diesen Service haben wir älteren Leuten schon immer geboten“, berichtet Mandy Trambatz. „Sie sind 50 Jahre ins Restaurant gekommen, jetzt gehen wir zu ihnen.“ Zwei der Aushilfen haben sie für diesen Dienst nach sozialen Aspekten ausgewählt. Der Abhol- und Lieferservice laufe weiter, „wir wissen nicht, was sich ergibt, vielleicht müssen wir in vier Wochen wieder schließen, weil die Zahlen der Corona-Infektionen ansteigen“, erklärt die Gastronomin.

Der Familienbetrieb habe viel in neuen Medien geworben. Für die älteren Kunden hat er zu Ostern und Muttertag eigene Karten entworfen und mit speziellen Verpackungen „eine schöne Stimmung nach Hause gebracht“. Dabei habe der Betrieb festgestellt, „manche Änderungen werden wir beibehalten“. Zum Beispiel „transparent darzulegen, wie wir mit Reinigung umgehen“. Derzeit werden die Sanitärräume alle ein bis zwei Stunden geputzt und der Einsatz abgezeichnet, um Gästen die Angst zu nehmen. „Wir müssen uns neu erfinden, neue Wege suchen“, finden auch Geschäftsführer Kurt Kunz und sein Sohn Marco. Seit mehr als 90 Jahren wird das Restaurant von der Familie geführt, die 96-jährige Uroma arbeitet wie die achtjährige Marie im Geiste der Gründer Petra und Eva Dahlheimer mit. „Da weiß man, wofür Familie da ist.“

Im Sportheim am Wingertsweg haben Dario und Mirjana Jukic mit Familienangehörigen die Fassade neu angelegt, im Biergarten indirektes Licht hinter stilvolle Holzschächte gelegt, „viel Ambiente geschaffen, damit sich Gäste noch wohler fühlen“. Sie nutzten die Zeit auch, um neue Eingangstüren zu installieren. Im Innenraum haben sie Backsteine mit Schwammdruck imitiert, die Wand passt jetzt harmonisch zum Kaminfeuer auf dem Bildschirm. So waren sie trotz Zwangspause täglich vor Ort, was die Nachbarn mit Begeisterung beobachteten. Der Abhol- und Lieferdienst wurde von vielen Mitgliedern der Sportvereinigung genutzt, auch neue Kunden haben sie so gewonnen, so die Wirtin. Darum soll das Angebot bleiben, Mittagstisch gibt’s nun auch unter der Woche. „Vielleicht gelingt es uns damit auch, ein jüngeres Publikum zu gewinnen“, hofft Mirjana. Verwandte und Freunde haben zunächst unentgeltlich geholfen, der Zusammenhalt des Teams ist den Jukics sehr wichtig. Jetzt gingen die ersten Buchungen für Vorstandstreffen und Familienfeiern ein. Martin Cerny, Ehefrau Gabriele und Aushilfe hatte die Dietesheimer Schänke komplett geschlossen. „Rumpsteak auf Plastikteller und nach einer halben Stunde schmeckt wie Schuhsohle“, erklärt der Koch seine Entscheidung. Seit 32 Jahren residiert er an der Feuerwehr Dietesheim. „Wir haben Höhen und Tiefen erlebt, voran den Wechsel auf den Euro, aber im Großen und Ganzen sind wir zufrieden.“ Cernys müssen keine Miete bezahlen, sie haben das Haus gekauft. Trotzdem, zum Neustart haben sie mehr Gäste erwartet. „Wenn wir nicht kostendeckend arbeiten können, schließen wir lieber wieder.“ 15 Stühle sind im Innenraum, 32 Plätze im Biergarten. „Ich bin mit meinen Gästen alt geworden“, sagt Martin und hofft auf eine Genehmigung, dass er wieder bis 23 Uhr öffnen darf.

Den Urlaub haben sie statt auf Bali und in Amerika nun schon in Dietesheim verbracht und das Haus entrümpelt. „Es ist meine Burg gegen Infektionen, ich habe die Zeit gar nicht als Quarantäne empfunden. Aber „mit Tränen in den Augen mussten wir kiloweise Essen weggeworfen, das will ich nicht noch mal erleben“. Jetzt wünschen sie sich, „dass der Mundschutz irgendwann weg ist“.