Dr. Werner Forchheim geht nach 32 Jahren in Mühlheim in den Ruhestand Der Nachfolger ist schon da

Nach 32 Jahren in Mühlheim übergab Dr. Werner Forchheim Ende Juni seinem bisherigen Assistenten Dr. Umer Hameed die Praxis am Südring. Foto: man

Mühlheim (man) – Nach 32 Jahren in Mühlheim hörte Dr. Werner Forchheim Ende Juni auf, in der Praxis im Südring zu praktizieren. Der Facharzt für Allgemeinmedizin erwarb sich vor allem als Diabetologe einen Ruf. Der Diabetiker-Selbsthilfegruppe wird Forchheim jedoch auch im Ruhestand als Ratgeber weiter zur Verfügung stehen.

Ursprünglich wollte Werner Forchheim Gymnasiallehrer für Mathe und Physik werden. Grund war einerseits sein naturwissenschaftliches Interesse, „andererseits wollte ich mit Menschen arbeiten“. Kurz vor seinem Abitur fragte ihn sein Hausarzt im hessischen Grünberg, ob er nicht später seine Praxis übernehmen wolle. Daraus hätte zwar nur schwer etwas werden können, „ich musste ja erst mal sechs Jahre studieren“. Aber irgendwie legte der Mann den Keim für den Berufswunsch seines jungen Patienten.

Nach der Grundausbildung als Sanitäter konnte sich Forchheim im Bundeswehrkrankenhaus von Gießen 15 Monate lang ein Bild davon machen, wie es im Arztberuf zugeht. Anschließend studierte er an der Universität in Gießen. Als Mediziner ließ sich das Zusammenspiel von Humanität und Naturwissenschaften vielleicht auch geschmeidiger realisieren denn als Mathe- und Physiklehrer.

Erst recht als Diabetologe, als Vertreter einer Disziplin, in der es „wie kaum in einer anderen um den Menschen als ganzes geht“. Man unterscheidet die Diabetiker zwischen Typ 1 und Typ 2. Zum ersten zählen die Patienten, die von Krankheitsbeginn an täglich spritzen müssen, „weil sie aufgrund einer genetischen Prädisposition kein Insulin mehr produzieren können.“ Was wiederum nicht bedeute, dass es jeden, der das Erbgut in sich trägt, tatsächlich erwischt: „Das betrifft nur zwischen fünf bis zehn Prozent“.

Patienten aus der Kategorie Typ 2 könnten ihren Diabetes in der Regel jedoch in den Griff bekommen. Das lässt sich alleine anhand der Zahlen vermuten. In den ersten Nachkriegsjahren lag die Rate beim Typ 2 bei annähernd null Prozent. Als der Allgemeinmediziner vor 22 Jahren begann, sich der Diabetologie zu widmen, „waren hierzulande knapp fünf Prozent betroffen“. Die Zahl verdoppelte sich, Tendenz stark steigend. Die Ursache für Typ 2 ist fast immer optisch erkennbar: Übergewicht. „Die eigene Insulinproduktion steigert sich nicht proportional zu den Fettzellen“, erklärt Forchheim. In den 60er Jahren betraf die Krankheit hauptsächlich gesetzte Herrn im mittleren Alter, die auf ihr tägliches Schnitzel, Rippchen oder Schwartenmagen nicht verzichten wollten. Der Bauch signalisierte Teilhabe am Wirtschaftswunder. Bis auf das eine Klassenpummelchen waren Kinder schlank. „Nach den Hausaufgaben rannten wir alle raus“, erinnert sich Forchheim. Die virtuelle Smartphone-Online-Welt schafft nicht nur reale Einsamkeit, sondern auch Adipositas. Seine bisher jüngste Typ 2-Patientin war 15 Jahre alt.

Gerade bei Jugendlichen mache es keinen Sinn, ihnen mit Horrorszenarien auf die Sprünge zu helfen, mit Warnungen vor schwarzen, abgestorbenen Zehen und Herzinfarkten – auch wenn die nicht aus der Luft gegriffen seien. Was auch erwachsene Patienten viel eher dazu bringe, ihre Gewohnheiten zu ändern, „sind die messbaren Erfolge“. Wenn der Blutzuckerwert in der Kontrolltabelle sukzessive sinkt, weil die zwei Liter Cola mit ihren 62 Zuckerstücken genauso entfallen wie das Pfund Gummibärchen, steigt es sich leichter die Treppen hoch und das Doppelkinn geht zurück. Forchheim erzählt von Patienten, die langsam 40 Kilo abnahmen und ihr Gewicht auch hielten. „Die packen das, weil sie die neue Lebensqualität genießen“, erklärt der Arzt die Disziplin.

Vor 20 Jahren rief Forchheim die Diabetiker-Selbsthilfegruppe in Mühlheim ins Leben. Die empfand der Fachmann nie als Einbahnstraße: „Ich habe dort viel gelernt, was ich an meine Patienten weiter geben konnte“.

Am 29. Juni verließ Dr. Werner Forchheim zum letzten Mal mal als praktizierender Arzt seine Praxis verlassen. Mit dem 2. Juli übernahm sein ehemaliger Assistent Dr. Umer Hameed.