Wie die Menschen früher lebten Von Pfeilen, die tief im Fleisch stecken

Mit Tierknochen oder Kieselsteinen schafft es Oliver Littmann, aus Feuersteinen Messer zu fertigen, mit denen sich nicht nur problemlos Fleisch schneiden lässt. Foto: Mangold

Mühlheim (man) – Horst Becker ist der Spezialist, der bei der vor- und frühgeschichtlichen Arbeitsgruppe jeden Abguss eines Fundes am Ende so in Bronze gießt, als sei das Abbild selbst antik. Manche verklärten prähistorische Zeit gerne, weil der Mensch damals noch nicht die Umwelt zerstörte, keine Wälder rodete oder Flüsse vergiftete. Das lag vor allem daran, dass die technischen Möglichkeiten fehlten. Unter medizinischen Aspekten könne man froh sein, damals nicht gelebt zu haben, wird deutlich. Der Gedanke, an verfaulten Zähnen zu sterben, deute keineswegs auf eine gemütliche Epoche hin.

„Ein Leben spielte wohl keine große Rolle“, vermutet ein Besucher im Gespräch mit Oliver Littmann, dem Mann, der mit Kieselsteinen und Tierhörnern aus Feuersteinen Messer fabriziert, wie unsere Vorfahren. Littmann weiß von der Schlacht im Tollensetal. Von der erfuhren Archäologen, nachdem 1996 ein Mann im Schlauchboot über die Tollense geschippert war – ein Fluss in Mecklenburg-Vorpommern. Bei Niedrigwasser ragte aus einer Uferböschung ein menschlicher Oberarmknochen. Kein Fall für den Notruf, auch wenn eine steckende Pfeilspitze eindeutig für ein Tötungsdelikt sprach.

Zwischen 1300 bis 1200 vor Christus kamen hier in einem Konflikt schätzungsweise 1000 Menschen ums Leben. Littmann erklärt, dass es sich wohl um einen Krieg zwischen Bronze und Steinzeit handelte, „die einen hatten schon das Metall, die anderen wollten es“. Auf der Wiese nebenan demonstrieren Matthias Kiel und Johann Ettl, wie der prähistorische Mensch Pfeile geschossen und Speere geworfen haben muss. Der moderne Schießsport mit dem Bogen hat fast nur noch den Namen mit den Waffen gemeinsam, mit denen die Römer auf Gallier schossen. Ettl erzählt, mit den modernen Hightech-Geräten des Hochleistungssports habe er nie etwas anfangen können.

Der in der Steiermark aufgewachsene 66-Jährige, der sich vor 45 Jahren in der Hanauer Gegend niederließ, gewann schon die Hessische Meisterschaft: mit dem Langbogen, dem jeder Schnickschnack fehlt. Regelmäßig trainiert der Mann, der sein Haar wie ein Indianer trägt, auf dem Gelände der Schützengilde Hainstadt 1990, wo man moderne Bögen meidet. Ettl erzählt vom „Instinktschießen“, was bedeutet, nicht über Schaft und Visier zu zielen. Ein Unterschied: Man hält beide Augen offen. Ettl vergleicht den Vorgang mit einer Disziplin, der so manche Sachbearbeiter gelegentlich frönen: „Wer mit Papierkugeln den Papierkorb treffen will, zielt in der Regel ganz ähnlich.“

Neben ihm demonstriert Matthias Kiel eine selbst gebaute Kombination aus Speer und Schleuder. Am Ende ist der Speer so angespitzt, dass ein Stachel in das Löchlein eines gebogenen Stecken passt. So kann Kiel, der schon vom Pferd schießend mit Pfeil und Bogen die Hessische Vizemeisterschaft der Disziplin gewann, den Speer ohne spezielles Training 60 Meter weit werfen. Richard Plackinger zeigt eine Pfeilspitze, an der sich erkennen lässt, dem Hang zum Fiesen gab der Mensch nicht erst in der Neuzeit nach. Aerodynamisch ist die Spritze so geschnitzt, dass der Pfeil im Flug rotiert, um sich so tief ins Fleisch zu drehen.