Gudrun Feser-Pfeifers Biotop „Rote Erde“ gibt es seit 30 Jahren „Piccolos Hobby ist der Fußball“

Der Mensch braucht zwei Jahre um sich auf den Beinen halten zu können. Der kleine Schafsbock Piccolo widmete sich schon kurz nach der Geburt dem Fußball. Foto: man

Mühlheim (man) – Hoffentlich kommt sie bald, die Frau mit dem roten Auto. Vor dem Zauntor harren schon Eltern mit ihren Kindern aus, die auf Gudrun Feser-Pfeifer warten, die Frau, die 1990 mit der aufwendigen Arbeit an ihrem Biotop „Rote Erde“ begann. Vor Kurzem kam ein neuer Bewohner zur Welt, ein weiterer wird folgen. Die 71-Jährige erzählt vom Tod von Molli, die mit Halbschwester Wolli auf der Roten Erde lebte.

Vor 30 Jahren übernahm Feser-Pfeifer die 5.000 Quadratmeter nördlich des Franzosenviertels. Damals sah es hier alles andere als heimelig aus. Die Offenbacherin musste neben unzähligen Bierflaschen drei Container Müll aufsammeln. Vor zwölf Jahren kamen dann Molli und Wolli, die beiden „Ouessantschafe“, die auch unter „Bretonische Zwergschafe“ firmieren. Die Tiere dürfte wohl niemand in großer Herde samt Schäfer und Hund entdecken. Bei den Ouessantschafen handelt es sich um die kleinste Schafrasse Europas. Die Mitbewohner der Roten Erde wirken die die Ponyvariante ihrer Gattung. Wirtschaftlich lohnt es sich nicht, sie massenhaft zu halten. Für das Biotop unweit des Mains eigenen sich sie blendend. „Das sind meine Rasenmäher“, erklärt Feser-Pfeifer.

Am 14. Februar starb Molli. Halbschwester Wolli stellte das Fressen ein. Alleine können Schafe nicht leben. Feser-Pfeifer handelte schnell und fuhr mit ihrem 32 Jahre alten roten Peugeot 205 kurz hinter die niederländische Grenze bei Aachen und holte die Schwestern Polli und Dolli, beide so schwarz wie Wolli. Auf der Rückfahrt hielt Feser-Pfeifer die Luft an, nicht weil die beiden Tiere in der Wanne auf der Ladefläche auf dumme Ideen kamen, sondern wegen der Ungewissheit, ob sich die zwei neuen mit der alteingesessenen Wolli verstünden. In Mühlheim angekommen, atmete Feser-Pfeifer auf. Polli und Dolli akzeptierten Wolli sofort als Leitschaf, „wohin Wolli ging, sie folgten.“ Legte sich Wolli hin, ließen sich auch die beiden nieder.

Am 30. März sah Feser-Pfeifer aus der Entfernung einen schwarzen Fleck im grünen Gras. Überraschend kam das nicht, „beide waren trächtig“. Das neue Schaf entpuppte sich als Bock. Der Name Piccolo soll sich in Pascha ändern, wenn die Hörnchen zu runden Hörnern mutiert sind.

Piccolos Hobby ist der Fußball, den er jedoch als reinen Kopfball interpretiert. Rollt Feser-Pfeifer ihm das Leder zu, nimmt der junge Bock das Ding mit dem kleinen Schädel auf und führt den Ball parallel zum Zaun den ganzen Weg. Piccolo wächst faktisch mit zwei Müttern auf. Als Feser-Pfeifer ihn entdeckte, hatten die beiden Schafe aus Holland den Kleinen schon sauber geleckt.

Neben Mutter Polli bekam auch die schwangere Tante Dolli einen Milcheinschuss. Piccolo trinkt aus der Zitze, die am nächsten hängt. Ebenfalls seit zwölf Jahren lebt hier die einst zugelaufene Katze Mizimaunzi, die wie ein Hütehund neben den Schafen durchs Gras läuft. Mizimaunzi erlebte zuletzt angespannte Zeiten. Feser-Pfeifer, gelernte Tierheilpraktikerin, musste etliche Wunden der Katze versorgen.

Das Grundstück inspiziert regelmäßig ein Waschbär auf der Suche nach Futter, der sich offensichtlich mit Mizimaunzi den einen oder anderen Kampf liefert. Gudrun Feser-Pfeifer versuchte bisher vergeblich, das Tier mit einer Lebendfalle zu fangen. Als Inhaberin eines Jagdscheins darf sie das von Amts wegen, auch wenn die Frau noch nie zur Jagd ging.

Doch der Waschbär warf das Behältnis erst um, ehe er sich aus dem Inneren das Futter nahm. Das setzte den Klappmechanismus der Türe außer Funktion. In 2016 bekam Feser-Pfeifer eine mit 500 Euro dotierte Anerkennung der Frankfurter „Stiftung Citoyen“, die alle zwei Jahre den Preis für „Umweltheldinnen und -helden“ vergibt. Letztes Jahr hielt Feser-Pfeifer einen Anruf erst mal für einen gängigen Betrugsversuch: „Sie haben gewonnen.“ Am Ende stimmte das jedoch. Feser-Pfeifer hatte sich bei „LOTTO hilft Hessen“ beworben und für die Kostendeckung ihres Biotops einen Zuschuss von 5.000 Euro bekommen. In den drei Jahrzehnten Rote Erde wuchsen Sträucher und Obstbäume, an denen dutzende Kästen für Käuze und andere Vogelarten hängen. Feser-Pfeifer legte auch Arrangements für Insekten an. Täglich arbeitet die Frau mehrere Stunden auf dem Biotop.