Citizen Fan Convention in Mühlheim Mit dem Raumschiff auf zu fremden Welten

In den Weiten des Universums trachten die Spieler danach, sich aus dem Weg zu gehen oder den Gar auszumachen. Foto: man

Mühlheim (man) – Im Keller, wo die Leute sonst die Mäntel abhängen, lenken jetzt Männer an Monitoren mit konkaver Form Raumschiffe durchs All. Jeder der etwa 400 Besucher trägt ein Namensschild, genauso wie Boris Schöpf aus der Organisationsmannschaft. Der 38-Jährige steht oben am Eingang und lässt ebenso wie die Kollegen jeden Hauch von Türsteher-Attitüde gänzlich vermissen. Auf seinem Schild steht Fireball.

Der Mitstreiter neben ihm nennt sich Kon Ellin. Unter dem Pseudonymen firmieren die beiden in dem Internetspiel mit dem Titel CON42 – Star Citizen, das 2012 ein US-Amerikanischer Game Designer mit dem aus der Schlagerwelt bekannten Namen Chris Roberts aus der Taufe hob.

Über eine Crowdfundingkampagne ermöglichten die Spieler die Finanzierung. Mittlerweile gehören weltweit 2,1 Millionen Mitglieder dazu. „Der Entwicklungsprozess ist noch lange nicht abgeschlossen“, erklärt Fireball, der im Alltag als Heilerziehungspflegehelfer arbeitet und erklärt, das Spiel handele im Jahr 2948. Wem Computerspiele noch ferner liegen als die Begonienzucht, kapiert nur grob, worum es geht. Raumschiffe fliegen an Gesteinen im Weltall vorbei, wo sich mitunter auch dunkle Charaktere tummeln: Ausgestoßene, die ihr Dasein in der Destruktion fristen, die oft auch digitale Kainsmale tragen. Sich hier zurecht zu finden, ist erst mal nicht leicht, wie der 22-jährige aus der Steiermark erklärt, der sich im Netz First Lieutenant nennt. Bei seinem ersten Flug saß der Offizier gleich irgendwelchen Strolchen aus dem Universum auf, die sich unbemerkt an die Unterseite seines Schiffes setzten. Aetgar, ein Ingenieur aus Göttingen, gehört einer Gruppe an, die sich Isle of Hope nennt. Der 54-Jährige erzählt von einem anderen Verbund im Spiel, der sich Babylon nennt. In dessen Präambel steht das Ziel, friedlich miteinander umzugehen und zusammen zu arbeiten. Die Science-Fiction-Welt spielt zwar auf einem technisch enorm hohen Level, sozial bewegt sich der Mensch jedoch noch auf der gleichen Bewusstseinsstufe wie heute, erklärt Aetgar; also wie ein Kleinkind im Sandkasten, das alle Förmchen haben muss, obwohl es nur mit ein paar spielen kann.

Im großen Saal der Halle sind nicht nur alle Plätze besetzt, die Leute sitzen auch auf dem Boden, um den führenden Entwicklern des Spiels Fragen zu stellen. Verkehrssprache ist Englisch. Frauen sind überdeutlich in der Minderheit. Aetgar tippt, online dürfte deren Anteil deutlich unter zehn Prozent liegen. „Es melden sich mehr an, als dauerhaft dabei blieben“, beobachtet First Lieutenant.

Manche Männer neigen dazu, sich stärker zu engagieren, als es noch gesund sein kann. „Klar“, weiß der 45-Jährige, der sich Kon Ellin nennt, „es gibt Süchtige“. Der Grafikdesigner will das Problem nicht kleinreden. Zwar gelte generell in der Gemeinschaft, „das reale Leben geht vor“, dennoch beobachte auch er, wie Teilnehmer die Balance verlieren, sich immer noch im Spiel bewegen, wenn er längst eine durchgeschlafene Nacht hinter sich habe.

Was auffällt, die Onlinespieler benehmen sich allesamt ausgesprochen freundlich und natürlich. Es herrscht eine bei Massentreffen selten angenehme, ruhige und entspannte Atmosphäre. „Wir haben keine kommerziellen Interessen, der Eintritt deckt nur die Kosten“, erklärt Veranstalter Daniel Gay, im realen Leben Geschäftsführer einer Werbeagentur. Aetgar erzählt noch von der sozialen Komponente rund um das Spiel. Es gehe ähnlich zu, wie im Vereinsheim eines Tennisclubs: „Wir führen übers Netz Telefonkonferenzen um ganz andere Dinge.“

Wie etwa um die Ängste von einem 19-Jährigen, der kurz vor einer Operation steht und die anderen nach Erfahrungswerten fragt. Einen bestimmten Themenkomplex vermutet bei online spielenden Männern wohl kaum ein Außenstehender. In einem Kanal, der sich Mampfchannel nennt, tauschen die, denen Pizza vor dem PC nicht reicht, Rezepte aus.