Bei der 70er-Dance-Party im Naturfreundehaus lässt DJ Gerd die schrille Epoche wieder aufleben Von Schlaghosen, Hawaii-Toast und den Bay City Rollers

Sie standen damals in den Hitparaden oben: Blondie, Suzi Quatro oder Chris Norman gehören zu den einstigen Idolen, die Beate Jung (links), „DJ Gerd“ Katzmann und Rita Stenzel wiederbeleben. Foto: Mangold

Mühlheim (man) – Für viele fühlte sich die Zeit wie Tauwetter an: Der Kanzler wollte mehr Demokratie wagen, Günter Netzer schwebte durch die Tiefe des Raumes: Am Samstag, 14. April, lassen die Naturfreunde mit DJ Gerd bei ihrer 70er-Dance-Party die schrille Epoche wieder aufleben.

Das Motto: Holt die Schlaghosen aus dem Schrank! Wer in den 70er Jahren jenseits der 60 war, der galt als einer, dem bei Marschmusik à la „Alte Kameraden“ die Tränen in den Augen stehen. Wer heute 75 Jahre alt ist, so wie Gerd Katzmann, der erlebte Aufbruchstimmung in seiner Jugend, etwa mit dem Beatles-Klassiker „All You Need Is Love“.

Schon damals sammelte Katzmann Schallplatten wie andere Briefmarken. Der pensionierte Polizist hat alleine etwa 3.500 Platten katalogisiert. Der Ursprung seiner Sammlung rührt von seiner Freundschaft mit Peter Baumgart. Der sitzt dem Verein der Country-Freunde Rhein Main vor. Baumgart hatte Kontakte zum Topper Club in Frankfurt an der Adickesallee. Hier verkehrten hauptsächlich US-Soldaten. Der Rhythmus kam aus eine Wurlitzer-Musikbox. Ein Gerät, an das sich auch noch Beate Jung erinnert, die 1962 zur Welt kam: „Drei Lieder kosteten 50 Pfennig.“ Jung gehört wie Katzmanns Gattin Rita Stenzel zu den Initiatoren der 70er-Dance-Party.

Um keine Langeweile aufkommen zu lassen, wechselte der Club alle drei Wochen 100 Singles aus. Die bekam Baumgart für seine Arbeit als Zeichner des monatlichen Programmkalenders. Der Mann überließ wiederum etliche Scheiben Kumpel Katzmann.

Eine Single kostete damals fünf Mark. Kein Pappenstiel für zwei Lieder, wenn man bedenkt, dass Arbeiter Anfang der 70er Jahre zwischen sechs und sieben Mark pro Stunde verdienten. Gebrauchte Singles waren für Preise zwischen 50 Pfennig und einer Mark zu haben.

Wer in der Nachkriegszeit zur Welt kam, wird sich auf der 70er-Party an Momente der eigenen Jugend erinnern. Manche Endfünfzigerin könnte sich an die Bravo-Poster der Bay City Rollers erinnern. Daran, wie sie dem Leadsänger der schottischen Truppe einst ewige Liebe und verlässliche Treue schwor.

„Die einen fanden The Sweet toll, die anderen die Rollers“, erinnert sich Rita Stenzel, der daran liegt, keiner der Fraktionen angehört zu haben, „ich fand ELO gut“.

Erwachsene diskutierten damals Fragen wie, ob Netzer oder Overath im Mittelfeld die Pässe schlagen sollten oder ob Bundeskanzler Willy Brandt wirklich das Amt aufgeben muss, weil sich sein Referent als DDR-Spion entpuppte.

Auf dem Wohnzimmertisch des Ehepaars Katzmann/Stenzel liegen ausgedruckte Bilder von Produkten und Symbolen aus den 70ern. Jeder, der die Zeit erlebte, kann sich an Peter Stuyvesant und den „Duft der großen weiten Welt“ erinnern. Ebenso an „Irischer Frühling“ oder die Zahnpasta, die durch den Songtext „Strahlerküsse schmecken besser, Strahlerküsse schmecken gut“, manchen Bub auf Erfolge bei den Mädchen hoffen ließ.

In zwei TV-Programmen sahen alle dieselbe Werbung. Die Markennamen brannten sich ins kollektive Hirn der Nation wie das Testbild nach Mitternacht.

Modisch tauchten die 70er mit ihren Glitzeranzügen, Schlaghosen und Plateauschuhen in bis dahin ungeahnte Geschmackstiefen ab. „Die Schlager wirkten absurd“, kommentiert Beate Jung lachend den Text der Single, die Katzmann gerade laufen lässt: Das Duo Die Windows intoniert „How Do You Do“. Ein Typ will sonntags ins Kino gehen, sieht jedoch eine Frau davor stehen und handelt postwendend: „Ich stellte mich gleich neben dich, du hast mir’s angetan, da sah ich, dass du traurig bist und sprach dich einfach an.“

Zu den 70er Jahren gehören etwa Hawaii-Toast, Mohrenkopf-Brötchen und natürlich Asbach-Cola. Eintritt muss zur Dance-Party am Samstag ab 19 Uhr im Naturfreundehaus, Am Maienschein 467, niemand bezahlen, dafür aber fürs Büfett etwas mitbringen. Anmeldungen nimmt Gerd Katzmann unter Telefon 06108 76021 oder per E-Mail an g.katzmann[at]naturfreunde-muehlheim[dot]de entgegen.