Geschichtsverein Mühlheim veranstaltet historische Heuernte in Dietesheim Eine schöne Erinnerung an die Kindheit von damals

Heute dauert die Heuernte für einen Bauern nur ein paar Stunden. Früher war die gesamte Familie den ganzen Tag unterwegs. Foto: man

Mühlheim (man) – Der Satz „früher war alles besser“, stimmt ganz bestimmt nicht. Die Kriege und der Hunger sprechen dagegen. Aber Erzählungen deuten an, dass die Kinder auf dem Land früher ein spannenderes Leben als in der Gegenwart führten. Am 22. Juli veranstaltete der Geschichtsverein Mühlheim eine historische Heuernte auf der Wiese am Ende des Wingertswegs in Dietesheim.

Das Wetter trieb im Laufe der Jahrtausende die Bauern immer wieder zur Verzweiflung. Die Sense lässt sich nur sinnvoll anlegen, wenn mehrere Tage hintereinander nichts vom Himmel kam. Zwar gestaltet sich auch der aktuelle Sommer ziemlich trocken, doch ein paar Tropfen hatte es in den zwei Wochen davor immer mal wieder geregnet. Nasses Heu fault aber schnell. Nur kurzfristig konnte Bruno Schmück den Termin deshalb nennen.

Den um 1910 gebauten Leiterwagen hatte Schmück in Neuengronau, einem Dorf in der Rhön aufgestöbert. Der Geschichtsverein kaufte das Teil 2013.

Anschließend setzten sich einige Mitglieder einen Monat dran und restaurierten den Leiterwagen, mit dem der Club im gleichen Jahr an den Umzügen zur 1.000-Jahr-Feier von Dietesheim und 2015 zum 1.200 Geburtstag von Mühlheim teilnahm.

Auch Heidemarie Schmück schaut zu, die Schwägerin von Bruno. Die 77-Jährige erzählt von ihren Kindheitserlebnissen. Ihr Vater starb kurz nach dem Krieg an Tuberkulose. Die gebürtige Hanauerin hatte Glück, dass ihre Mutter mit ihren drei Kindern die Stadt vor dem großen Bombardement am 19. März 1945 verlassen hatte. Die nächsten Jahre brachte die Frau ihre Kinder in Bergwinkel durch, wo die Ausläufer von Rhön, Spessart und Vogelsberg zusammenfließen. Die Mutter arbeitete in der Landwirtschaft.

Heidemarie Schmück erinnert sich, wie sie bei der Heuernte auf dem Wagen saß, hoch genug, um Kirschen pflücken zu können. Wetterberichte hatten damals einen ähnlichen Informationswert wie Kaffeesatzlesen, „die Bauern schauten aufs Barometer“. Mitunter passierte es, dass der Zeiger binnen weniger Stunden stark fiel und sich der Himmel schwärzte, „dann brach Hektik aus“.

Noch im 19. Jahrhundert arbeiteten 90 Prozent der Deutschen in der Landwirtschaft, nach dem Krieg waren es noch 50, mittlerweile liegt die Quote bei einem Prozent. Heute braucht ein Bauer vielleicht zwei Stunden, um so ein Feld zu mähen und das Heu zu Rollen zu pressen. Heidemarie Schmück erzählt jedoch von mehreren Männern, die damals ihre vollen Gabeln nach oben reckten, wo ein Mann mit den Händen das Heu abnahm. Die Aufgabe der Kinder lag darin, das Winterfutter platt zu treten. Ging es bergab, lief zu beiden Seiten jemand mit einem Bremsklotz neben her, „sogar die kräftigen Kaltblüter konnten so einen Wagen alleine nicht halten“.

Die Landwirtschaft stand gewiss nicht für ein romantisches Zuckerschlecken. Heidemarie Schmück behielt jedoch wie viele ihrer Generation und Herkunft eine schöne Kindheit in Erinnerung, „es war herrlich, immer draußen zu sein“. Durch die Erlebnisse habe sie einen unmittelbaren Bezug zu dem, was auf den Tisch kommt, „weggeworfen wird bei uns nichts“.

Eigentlich sollte René Duttiné mit seinem Schimmel den Wagen ziehen, doch der selbstständige Gärtner schaffte es nicht mehr rechtzeitig zum Fototermin, weshalb Bruno Schmück einen ebenfalls bestens restaurierten Oldtimer-Traktor vorspannt.

Ein Vierbeiner mit Hufen zeigt dennoch Präsenz. Die ehemalige Profi-Balletttänzerin Ella Kielbassa bringt den Muli Aurora vorbei, eine nette Gesellin, die gerne die Ohren massiert bekommt und es nicht lassen kann, ihr Gegenüber leicht anzuknabbern. Bei Aurora handelt es sich um ein Maultier, der Vater ist ein Esel, die Mutter ein Pferd. Beim Maulesel verhält es sich umgekehrt. Beide Varianten haben gemeinsam, dass ihr Stammbaum mit ihnen endet. Weder Maultier noch Maulesel können sich fortpflanzen.

Zum Foto müssen etwa Gerda Brinkmann, Angelika Löwenheim oder Walter Schäfer den mit Brot und Wurst gedeckten Tisch im Schatten verlassen. Ihre historischen Bauernkleider gehören aufs Bild.