Frank Winter hat einen kunterbunten Jaguar auf dem Dach Schrill und nicht nur dekorativ

Wenn Autos denken könnten, hätte dieser Jaguar sicher nicht damit gerechnet, irgendwann einmal bunt bemalt auf einem Dach zu stehen. Foto: man

Mühlheim (man) – Die Surrealisten kombinierten Dinge miteinander, die so nie vorkommen. Nachts radelt kein Postbote durch das Schlafzimmer am Bett vorbei wie in einem Film von Luis Bunuel. Auch eine bunt bemalte englische Nobelkarosse, die im Gewerbegebiet auf dem Dach steht, ist kein Anblick, bei dem der Mühlheimer denkt „so was ist ganz normal“.

Auf dem Gelände des Architekten Frank Winter in der Industriestraße 31-33 steht seit August ein Jaguar auf einem Flachdach. Der Rodgauer Künstler Friedhelm Meinaß gestaltete das Auto aber optisch um. Auf die Idee, es handele sich um Verschwendung, mit der Karre ließe sich doch schnittig über die Dörfer kurven, braucht aber niemand zu kommen.

Der Jaguar war dermaßen unter die Räder von Zeit und Witterung geraten, dass auch gewiefte Bastler nicht in der Lage gewesen wären, das Modell aus den 70er Jahren wieder in Schuss zu bringen zu bringen. Ohnehin ist Friedhelm Meinaß einer der ersten, die wissen, wo Hand anzulegen ist, wenn es noch Hoffnung gibt.

Der einstige Professor an der Hochschule für Design in Darmstadt erstand mit 21 Jahren seinen ersten Jaguar. Das Geld hatte er sich mühsam zusammengespart. Das gebrauchte Auto kostete im Jahr 1969 3000 Mark, ein Haufen Geld zu jener Zeit.

Es gibt zwei Typen von Liebhabern bestimmter Automodelle: Die einen kaufen und deligieren die Restauration an eine Werkstatt. Die anderen legen sich selbst unter den Motor, so wie der 68-jährige Meinaß, der seit dem Erwerb von damals die Automarke nicht mehr wechselte und alles selbst repariert.

Eigentlich hatte Frank Winter vor, das Auto per ADAC-Kran vor den Augen der Besucher der Vernissage am 26. August aufs Dach zu hieven, war dann jedoch froh, den Kran schon mittags bestellt zu haben, denn eine Geschichte von ein paar Minuten war das nicht.

Winter, der in der Jean-Monnet-Straße einen Komplex von 16 barrierefreien Wohnungen baute, repräsentiert nicht den Typus von Architekt, dem der Sinn für die Funktion das Auge für die Ästhetik verstellt. Mitte der 90er Jahre bekam Winter eines der begehrten Stipendien der Bundesrepublik in der römischen Villa Massimo. Wer dort für ein Jahr Wohnrecht genießt, gilt in den Sparten Literatur, Bildende Kunst, Komposition und Architektur als großes Talent.

Winter übernahm das 11.700 Quadratmeter große Grundstück samt Gebäuden vor sechs Jahren von seinem Vater. Hier stand der alte Jaguar, den ein säumiger Mieter hinterlassen hatte, bevor er sich ins Ausland absetzte. Fachmann Friedhelm Meinaß tippt, dass das Auto schon lange alles andere als fahrtüchtig war.

Erstmal musste Meinaß als Reinigungskraft agieren. Bei Ebay hatte er fehlende Seitenfenster ersteigert und eingebaut. Im Inneren, das Mäuse als Toilette benutzen, roch es streng und sah entsprechend aus. Die Motorhaube schloss nicht wirklich, weil sie von einem anderen Modell stammte. Das ließ sich schon farblich erkennen. Anschließend bemalte der Mann, der für Nina Hagen und Wolf Biermann Platten-Cover gestaltete, das Auto mit der Sprühdose.

Der Künstler ist kein Freund des nuancierten Graus. Seine organisch gewachsen wirkenden Leinwandmotive charakterisieren kräftige Töne. Sie erinnern zum einen an das Farbspektrum, das ein sonnenbeschienener Ölfilm auf Wasser abbildet, zum anderen an Akkorde, die sich nicht auflösen. Der Jaguar wirkt ähnlich: schrill und keineswegs rein dekorativ.