Karola Reuß leitet die Kinderabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Mühlheim Tatüta-Tiger erfreuen sich großer Beliebtheit

Nach einer Pause kehrte Karola Reuß nicht nur nach Mülheim zurück, sie engagierte sich auch wieder bei der Feuerwehr. Foto: man

Mühlheim (man) – Ein paar Jahre nahm sich Karola Reuß eine Pause von der Feuerwehr.

Im Rückblick gilt ein Polterabend als erster Schritt, wieder zurückzukehren. Geplant hatte sie das nicht, aber dann passierte es doch: Seit fünf Jahren leitet die Frau „Tatüta-Tiger“, die große Kinderabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Mühlheim. In der Coronakrise war ziemlich schnell die Rede von den systemrelevanten Berufsgruppen. Gemeint sind vor allem jene, die sich nicht den Kopf zerbrechen müssen, welche Aktien sie von dem Geld kaufen, das am Ende des Monats übrig bleibt. Wenn Kassiererinnen, Krankenschwestern und Müllmänner plötzlich ausfielen, bräche die Zivilisation binnen Tagen zusammen. Die Lektion verstand jetzt jeder. Zur Systemrelevanz gehören auch Ehrenämter. Ohne die Freiwillige Feuerwehr bliebe die Ölspur in der Kurve liegen. Es dauerte wohl auch länger, bis jemand käme, um einen nach dem Unfall aus dem Auto zu schneiden.

Karola Reuß gehört zu jenen, die ganz früh ansetzen, um Nachwuchsmangel zu verhindern. Die 42-jährige leitet die „Tatüta-Tiger“, die Kinderfeuerwehr der Freiwilligen aus Mühlheim. Die Mutter von zwei Kindern trat selbst im Alter von 13 Jahren der Feuerwehr bei, „ich gehörte zu den ersten Mädchen“. Reuß kam dazu, weil Klassenkameraden ihr von der Feuerwehr erzählten und vorschlugen, „schau doch mal vorbei“.

Egal, in welchen Vereinen sich die Leute engagieren, es geht nie nur um Fußball, Tennis oder darum, Menschen in Not zu helfen, dem Kerngeschäft der Feuerwehr. Reuß erinnert sich an die Zeltlager, die vielen Ausflüge, „es war spannend und die Kameradschaft war klasse“. Als 16-Jährige absolvierte sie den Grundlehrgang. Reuß erinnert sich noch an das aufgeregte Gefühl, als sie das erste mal den Piepser mit nach Haus nahm. Den allerersten Einsatz weiß sie nicht mehr präzise, „ich glaube, es war tatsächlich eine Ölspur“.

Bei einem Alarm beschlich die junge Feuerwehrfrau ein mulmiges Gefühl. Jemand hatte angerufen, weil ein Rotweiler frei herum lief. Sicher gibt es ganz liebe Exemplare. Statistisch betrachtet ist es nach diversen Studien aber so, dass die Rasse überdurchschnittlich häufig zubeißt, dabei auch mal Verletzungen hinterlässt, die tödlich enden. Im Schlepptau von Typen im Jogginganzug wünscht sich jedenfalls niemand so ein Exemplar, „wir hatten keine Ahnung, ob der scharf ist“.

Die Feuerwehrleute hatten Glück, auf einen Vertreter der Kategorie „der tut nichts“ zu treffen. Der Hund ließ sich locker einfangen. Reuß schmiss einen Handschuh in die Hundebox, den das Tier als Spielzeug akzeptierte. Hinter dem Rottweiler schloss sich die Türe. Mit 24 trat Karola Reuß aus der Freiwilligen Feuerwehr aus, „ich brauchte etwas anderes“. Die Feuerwehrleute reagierten bedauernd, aber keineswegs beleidigt, „wir grüßten uns nach wie vor nett“. Dann war Reuß auch erst mal weg, wohnte mit Ehemann Markus in Babenhausen und kam dann wieder zurück. Auf der Gasse traf sie den heutigen ersten Feuerwehr-Vorsitzenden Andreas Neun, den sie als Jugendleiter erlebt hatte. Neun erzählte von der geplanten Hochzeit von Wehrführer Michael Kawecki. Dafür lieferte die Mediengestalterin schließlich die Einladungskarten. Auf dem Polterabend von Kawecki traf Reuß die versammelte Feuerwehrkameradschaft von einst, „an dem Abend trat ich als passives Mitglied wieder ein“. Man sah sich im Anschluss auf diversen Festen, auch auf der Weihnachtsfeier 2014. Dort stellte es Kawecki geschickt an, sein eigentliches Vorhaben zu verbergen. Der Mann erzählte, man plane, eine Kinderfeuerwehr zu gründen. Ob sie mal mithelfen könne, „du hast doch alle Lehrgänge absolviert“.

Als Reuß schließlich merkte, dass der Wehrführer sie als Kinderfeuerwehrwartin einplante, war es zu spät, um Nein zu sagen. Die Tatüta-Tiger entwickelten sich prächtig. Eigentlich sei man nur für 20 Kinder ausgelegt, „wir haben aber 22“. Dahinter harren einige auf der Warteliste aus.