Ökumenische Radtour „Re(li)gion erfahren“ des Evangelischen Dekanats Rodgau führte in Mühlheimer Gefilde Weißburgunder und Wildbienen

Bei der Radtour des evangelischen Dekanats wurde Mühleimer Wein probiert. Foto: Wolfgang Dölker/p

Mühlheim (red) – Wohlschmeckender Weißburgunder wächst sogar in Mühlheim, genauer gesagt auf der Gemarkung Lämmerspiel. Nicht nur davon konnten sich die 28 Radler der ökumenischen Radtour des Evangelischen Dekanats Rodgau überzeugen. Unter der Leitung von Pfarrerin Sandra Scholz, Pfarrer Martin Franke und Holger Pieper rückte sie Orte und Menschen in Mühlheim am Main in den Mittelpunkt.

Dieter Kaiser und seine Winzergruppe machten dabei den Anfang. Anschaulich erklärte er den Besuchern die ersten Schritte, die er vor mehr als 20 Jahren mit dem Weinanbau gewagt hatte: vom Aussuchen der richtigen Sorte, dem winterlichen Einpacken der Reben gegen den Frost, vom Schnitt, der Ernte und schließlich vom Wein.

„Zu Anfang kam da etwas raus, das konnte keiner trinken“, bekannte er freimütig. Jetzt aber ist das ganz anders: Der Mühlheimer Weißburgunder schmeckte der Radgruppe ausgezeichnet und gab ersten Schwung für die Fahrt zur nächsten Station: das Naturfreundehaus. Hier erzählte Peter Seifert mit Freude und Leidenschaft von den Anfängen der Naturfreunde als Gewerkschaftsbewegung im 19. Jahrhundert sowie von den Wildbienen. Diese kleinen Bienen ohne Giftstachel sind auch für den Menschen wichtig, weil sie dreifach so viele Nutzpflanzen bestäuben wie die hochgezüchtete Honigbiene.

„Was ist das nur für eine Unart“, beklagte er, „dass alle Gärten nur noch Rasen, Thuja und am schlimmsten noch Schotterbeete haben. Da findet keine Biene mehr Nahrung.“ Und genau das befördert eben auch das Bienensterben. Das wurde schnell klar. Eindrücklich war es, die professionelle Nisthilfe für die unterschiedlichen Bienenarten anzusehen. Und wer auf der Suche nach Unterstützung zum Thema Bienen und Naturschutz ist, der ist hier auf jeden Fall an der richtigen Adresse.

Geführt von Holger Pieper über Mühlheims schönste Waldwege erreichte die Gruppe bald die Evangelische Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde, wo der gute Duft des koreanischen Mittagessens bereits durch die Räume wehte. Nach der Begrüßung durch Gemeindepädagogin Petra Berger und einer Mittagsandacht konnten sich alle mit Udon-Suppe stärken, gekocht von dem jungen Freiwilligen des Evangelischen Dekanats Rodgau, Hansol Lee. Der junge Mann aus dem Süden der koreanischen Halbinsel arbeitet derzeit für ein halbes Jahr in der Evangelischen Kindertagesstätte Heusenstamm mit, lernt Land und Leute kennen und ist begeistert über die vielen Möglichkeiten, sich über das Leben und Glauben in Deutschland und Südkorea auszutauschen.

Dann ging es in Richtung Industriegebiet zum Marokkanischen Bildungs- und Erziehungsverein. Mustafa Sadek und der Gemeindevorstand empfingen die Radler trotz des eigenen Fastens mit leckerem Tee und Datteln, genau das Richtige zur Stärkung in der Mittagshitze. Durch die Räume des kleinen Lebensmittelladens hindurch kamen die Besucher in den Gesprächsraum, den Gebetsraum der Frauen und der Männer, wo auf dem Boden sitzend schnell ein lebendiges Gespräch aufkam, bei dem es einiges zu lernen gab: Minbar heißt die Kanzel, von der die Freitagspredigt gehalten wird. Auch Muslime anderer Nationalitäten kommen zum wöchentlichen Gottesdienst. Bildung in den eigenen Schriften sowie in gesellschaftspolitischen Themen und Vernetzung mit anderen Initiativen sind dem Vorstand wichtig.

Viele neue Gedanken nahm die Gruppe aus dem Gespräch mit. „Wie gehen Sie eigentlich mit den vielen Vorurteilen gegenüber dem Islam um, die Ihnen doch sicher jetzt wieder mehr begegnen als früher?“, wollte ein Teilnehmer wissen. „Ach“, antwortete schließlich Sadek, „ich versuche einfach, dabei zu bleiben. Wenn mich jemand nicht grüßt, dann grüße ich eben trotzdem und versuche, immer höflich zu bleiben.“

Der Vorstand und die Gemeindeglieder suchen immer wieder das Gespräch und die Öffnung in die Gesellschaft hinein. Auf Hoffnung hin, dass der scharfe Wind, der ihnen dabei oft ins Gesicht weht, sich wieder legt. Und diese Hoffnung teilten auch die radelnden Christen. Ein guter Zeitpunkt, mit den muslimischen Gemeindegliedern ins Gespräch zu kommen, ist zum Beispiel jedes Jahr wieder der Tag der offenen Moschee am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit.

Noch einmal galt es aufzubrechen zum letzten Punkt: dem Mühlheimer Wasserturm. Empfangen von Michelino Mastroserio von den Stadtwerken erfuhr die Gruppe Manches von der Mühlheimer Wasserversorgung, konnte nach fast 40 Metern Höhenanstieg den Blick in die Weite bis nach Bad Vilbel und zur Frankfurter Skyline richten.