Wildschweinschaden von 800 Euro nicht versichert Wildschweine verwüsten 1.700 Quadratmeter Streuobstwiese

Ein übler Anblick erwartete Reinhard Ricker letzten Monat auf dem Familiengrundstück auf dem Gailenberg. Die Wildschweine wurden hier anscheinend fündig. Foto: man

Mühlheim (man) – „Es muss zwischen dem 8. und 15. Oktober passiert sein“, kann Reinhard Ricker den Tatzeitpunkt eingrenzen. Als der Dieteshemer wieder auf das 1.700 Quadratmeter große Grundstück auf dem Gailenberg kam, das ihm und Bruder Ewald Ricker gehört, fühlte er sich vielleicht so ähnlich, wie die Eigentümer von Schrebergärten, die den Einbruch in die Hütte realisieren.

Die Brüder Reinhard und Ewald Ricker hatten den Besuch ganz bestimmt nicht eingeladen, der im letzten Monat auf ihrer Streuobstwiese vorbeischaute. Eine Horde Wildschweine buddelte die Erde auf der Suche nach Eiweiß um. Jetzt hoffen die Brüder auf Unterstützung der Behörden, um ihren Teil der Kulturlandschaft im Naherholungsgebiet wieder in Schuss bringen zu können.

Nur waren auf dem Gailenberg keine Vandalen unterwegs, sondern Wildschweine, wie die Spuren verraten. Die Horde hinterließ die Wiese in einem Zustand, als hätte die Bundeswehr im Herbstmanöver das Gelände durchgepflügt. Nun ist es so, dass die Grundstücke auf dem Gailenberg zwar allesamt Privatleuten gehören, doch hier entwickelte sich in den letzten 40 Jahren mit den Streuobstwiesen eine Kulturlandschaft, die nicht nur die Mühlheimer als Naherholungsgebiet nutzen. Der Schaden, der den Brüdern entstand, beläuft sich nach der ersten Schätzung eines Gärtners auf 800 Euro. Der Fachmann muss die Fläche mulchen, das heißt, mit unverrotteten organischen Materialien bedecken und dabei begradigen. Die Population der Wildschweine nahm in den letzten Jahren deutlich zu, was sich alleine an den Abschussquoten messen lässt.

Die Zahl stieg in der letzten Dekade Jahren um mehr als das Doppelte, von gut 287.000 auf knapp 590.000 pro Jahr. Die lebenden Wildschweine lassen sich natürlich nicht zählen. Die Schätzungen liegen zwischen 1,1 und 1,5 Millionen. Ohne die Jagd läge die Population des Tieres, das außer dem Menschen keine Fressfeinde kennt, wohl beim Dreifachen. Markus Stifter, Pressesprecher des Landesjagdverband Hessen, erklärt, es rühre von vielen Faktoren, warum sich die Wildschweine in deutschen Gefilden immer wohler fühlen. Das Problem der Brüder Ricker hängt auch mit dem heißen Sommer zusammen, weshalb die Eichen ungewöhnlich viele Eicheln abwerfen. „Der Wald ist voll davon“, beobachtet Stifter. Darüber freuen sich die Wildschweine.

Die brauchen jedoch zum Ausgleich für die Kohlenhydrate viel Eiweiß. Deshalb wühlen sie auf der Suche nach Maden auch die Böden der Streuobstwiesen auf. Wenn es im Januar und Februar nicht ordentlich friert, überleben eben die meisten Frischlinge. Pro Wurf kommen etwa acht auf die Welt.

Die Jagd auf die Tiere ist kein einfaches Unterfangen. Die Schweine scheinen den Jäger schon zu wittern, wenn der sich noch im Auto auf dem Weg befindet. Ricker erzählt von einem Gespräch mit Jagdpächter Horst Spahn, der schon einmal durch eine installierte Kamera sah, dass sich auf freier Fläche Wildschweine tummelten. Als Spahn erschien, sah er kein einziges mehr, als hätten die Tiere nicht nur eine feine Nase, sondern den siebten Sinn. Tagsüber verstecken sie sich unter Brombeerhecken oder umgefallenen Bäumen. Nachts sind sie im Wald nur bei Mondschein zu sehen, ansonsten nur auf freiem Feld. „Wenn dort ein Schwein geschossen wird, tauchen sie mindestens zwei Wochen nicht mehr auf“, erklärt Markus Stifter, der die Luft anhält, dass sich die afrikanische Schweinepest nicht auch in heimischen Gefilden ausbreitet. Reinhard Ricker steht nun im Kontakt mit der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Offenbach und der Stadt. Das Areal auf dem Gailenberg sei ein Aushängeschild für Mühlheim, wie Bürgermeister Daniel Tybussek vor kurzen bei der alljährlichen Baumpflanzaktion wieder betont habe.

Die Brüder pflegen ihre Parzelle seit 35 Jahren. Mittlerweile stehen darauf 70 Obstbäume verschiedener Sorten. Auf den Kosten für den Wildschweinschaden, die keine Versicherung deckt, wolle man nicht unbedingt alleine sitzen bleiben: „Alle erfreuen sich am Gailenberg. Wir hoffen auf konkrete Unterstützung beim Erhalt.“