Erfolgreicher Bücher-Bazar in der Stadtbibliothek Neu-Isenburg Wie sich die Aufgaben der Bibliothek verändern

Auch wer nicht schon um zehn Uhr vor der Türe stand, hat dennoch gute Chancen, geeigneten Lesestoff mit nach Hause zu nahmen. Foto: Mangold

Neu-Isenburg (man) – Die Bücher ließen sich eventuell auch nach Gewicht verkaufen. Die Tasche, mit der Isenburgerin Annemarie Henning von dannen zieht, dürfte zehn Kilo wiegen. Stadtverordnetenvorsteherin Christine Wagner schätzt das, was sie ins Auto schleppt, auf sieben Kilo, „wohl das, was viele in der Fastenzeit gerne abnähmen“. Ein wenig sieht es so aus, als wenn sich zum Schlussverkauf in einem Kaufhaus die Türen öffnen.

Am Samstag konnte man um zehn Uhr in der Hugenottenhalle zumindest ein dezentes Wettrennen um die Logenplätze an den Verkaufsständen beobachten. Die Stadtbibliothek hatte zusammen mit ihrem Freundeskreis wieder mal zum Bücher-Bazar eingeladen. Das Thema, das momentan die Freunde der Bibliothek am meisten beschäftigt: Wie und wann gestaltet sich der Umbau des städtischen Gebäudekomplexes.

Vor 25 Jahren konstituierte sich der Freundeskreis der Stadtbibliothek Neu-Isenburg, genauso lange organisieren die belesenen Mitglieder den Bücher-Bazar. Was hier für wenig Geld über die Ladentheke geht, stammt zum einen aus Spenden von Leuten, die umziehen oder einen Haushalt auflösen, zum anderen standen Titel wie „Windows 10“ oder „Excel für Dummies“ früher in der Bibliothek zur Leihe. „Was nicht mehr auf dem neusten Stand ist, sortieren wir aus,“ erklärt die Leiterin Annette Wagner-Wilk. Der Erlös geht traditionell an Projekte der Stadtbibliothek.

Vor einem Jahr übernahm Wolfgang Frehs den Vorsitz des Freundeskreises. Frehs löste Margit Rützel-Banz ab, mittlerweile Ehrenvorsitzende. Frehs, Unternehmensberater im Ruhestand, erzählt, schon vor sechs Jahren sei klar gewesen, dass die Hugenotten-Halle und die Stadtbibliothek von Grund auf saniert werden müssten: „Kulturdezernent Theo Wershoven spricht ja von einem Bildungs- und Kommunikationszentrum, das nun vorangetrieben werden muss.“ Die Aufgaben einer Bibliothek haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Die wenigsten schauen vorbei, um sich für den Abend vor dem Kamin die Gedichte von Georg Trakl oder die Dramen von August Strindberg auszuleihen. Frehs betont, in einer neuen Bibliothek müsste es eine extra Abteilung für die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen geben, „samt W-Lan und der Möglichkeit, sich Tabletts auszuleihen“.

Katharina Mieskes, seit 24 Jahren Vereinsmitglied und stellvertretende Vorsitzende, erzählt von Schülern aus beengten Verhältnissen, „manche leben zu fünft in einem Zimmer“. In deren Wohnungen gebe es weder W-Lan, noch einen Laptop, geschweige denn einen Drucker, „wie sollen die für die Schule eine Präsentation vorbereiten?“. Mittags seien in der Bibliothek stets alle PC-Plätze besetzt. Mieskes spricht nicht nur von Schülern, sondern auch von Erwachsenen, die hier Bewerbungen schreiben. Manche würden die Mitarbeiter bitten, mal drüber zu schauen, „besonders, wenn sie sich im Deutschen unsicher fühlen“. Ein Zentrum, das neben der Ästhetik auch die sozialen Bedürfnisse berücksichtigte, wäre mehr als ein „kultureller und bildungspolitischer Akzent für Neu-Isenburg“.

Ziel müsse es sein, einen Komplex aus Tagungsräumen in der Hugenottenhalle, einer modernen Bibliothek, Platz für die Vhs und Einrichtungen wie eine Ballettschule oder eine Galerie zu schaffen.

Das könnte ein bisschen so aussehen wie „Coda“ im niederländischen Appeldorn, ein Zusammenspiel aus Bibliothek, Kunstmuseum und Archiv. Mitglieder des Freundeskreises schauten sich Anfang November im Nachbarland mögliche Vorbilder für die eigene Stadt in Tilburg und Delft an. Nach dem momentanen politischen Stand könnte das Projekt nach zwei Jahren Planung und zwei weiteren Jahren Bauzeit 2024 fertig sein, schätzt Wolfgang Frehs, „allerdings darf dann nichts dazwischen kommen“.