BERTHA-PAPPENHEIM-HAUS Studenten aus Israel und Frankfurt lernen mehr über Pionierin der Sozialen Arbeit Bewegende Familiengeschichte

Bürgermeister Gene Hagelstein begrüßte die Gruppe und bedankte sich bei den Studenten und Professoren für ihren Besuch im Bertha-Pappenheim-Haus. Bild: p

Neu-Isenburg – Es ist der wichtigste Ort der Erinnerungskultur in der Stadt. Die Seminar- und Gedenkstätte Bertha Pappenheim hält nicht nur das Gedenken an die große Sozialreformerin, Pädagogin und Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim (1859 bis 1936) und ihr von den Nationalsozialisten zerstörtes Heim des Jüdischen Frauenbundes wach, sondern ist auch Veranstaltungsort. Besucher aus der ganzen Welt kommen in die Zeppelinstraße 10, oftmals aufgrund familiärer Beziehungen zu ehemaligen Bewohnern des Heims.

Nun waren Studenten aus Jerusalem und der Frankfurter Goethe-Universität zu Gast. Beide Gruppen studieren Erziehungswissenschaften und wollten sich über Leben und Werk von Pappenheim informieren. Die Studenten aus Jerusalem sind am dortigen Haruv Institute tätig, sie kamen mit Professor Asher Ben-Arieh (Hebrew Universitiy) und Professorin Sabine Andresen (Goethe-Uni) nach Isenburg, die gemeinsam den jährlichen Austausch organisieren. Bürgermeister Gene Hagelstein hob bei seiner Begrüßung der Gäste aus Amerika, Deutschland und Israel die Wichtigkeit dieses Ortes für die Stadtgeschichte hervor. „Wir müssen an unsere Geschichte erinnern, dort, wo sie passiert ist. Die Seminar- und Gedenkstätte ist für unsere Stadtgeschichte ein wichtiger Veranstaltungs- und Erinnerungsort geworden. Noch heute melden sich Zeitzeugen oder auch die Nachfahren von Zeitzeugen, die uns helfen, diese Geschichte aufzuarbeiten.“

Bevor die Frauenbeauftragte Anna Held, die auch die Gedenkstätte leitet, über Bertha Pappenheim referierte, die eine Pionierin der Sozialen Arbeit war, bot sich der Gruppe jedoch noch eine besondere Gelegenheit. Denn unter den Anwesenden war eine Frau, die eine enge Geschichte mit dem ehemaligen Heim des Jüdischen Frauenbundes verbindet: Hamutal Ben-Arieh, eine Nachfahrin eines ehemaligen Zöglings des Heims. Sie war bereits 2017 das erste Mal zu Besuch in Isenburg. Hamutal Ben-Ariehs Vater Rudolf, später Ruben Stern, lebte von 1937 bis 1938 im Heim des Jüdischen Frauenbundes, seine Schwester Paula schon ab 1933, ebenso wie zeitweise die Mutter der beiden, Hedwig Stern. Er wurde am 20. Juni 1935 in Wiesbaden geboren und im Alter von zwei Jahren von seiner Mutter Hedwig in die Obhut des Heims in Neu-Isenburg gegeben, wo seine Schwester Paula bereits seit zwei Jahren betreut wurde. Nach dem Pogrom am 10. November 1938 brachte Hedwig Stern ihre beiden Kinder in ein Kinderheim nach Straßburg und floh selbst in die Niederlande. Sie wurde am 14. September 1943 vom Durchgangslager Westerbork aus in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Die letzte Nachricht über sie stammt aus dem Außenlager Malchow des KZ Ravensbrück, wo sie noch einen Tag vor der Befreiung, am 1. Mai 1945, ermordet wurde. Beide Kinder lebten nach der Flucht in verschiedenen Kinderheimen und wurden nach der Besetzung Frankreichs versteckt gehalten. Rudolf überlebte die Shoa in Frankreich und emigrierte 1947 als Zwölfjähriger mit dem Schiff nach Palästina. Erst dort erfuhr er, dass er eine Schwester hatte. Bis zu seinem Tod im Jahr 2018 lebte er mit seiner Frau in Nähe von Haifa.

Paula konnte nach einer Odyssee innerhalb Frankreichs mit Hilfe einer zionistischen Organisation am 14. November 1944 nach Palästina fliehen. Sie war elf Jahre alt und wusste nichts über ihre Herkunft. Erst 1961 konnte sie ihre Identität über eine Suchanzeige in der Zeitung „Aufbau“ erhellen. Heute lebt sie in der Nähe von Haifa und feierte am 6. Mai, 90. Geburtstag. Von Hamutal Ben-Ariehs Erzählungen waren alle Anwesenden an diesem Nachmittag besondere beeindruckt und gerührt. Insbesondere die Fotos ihres Vaters, ihrer Tante und Großmutter unterstrichen die Erzählungen.
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