Blick in die Vergangenheit zum 80. Geburtstag Box-Legende Horst Gauß: Kein Platz für Samthandschuhe

Die Boxhandschuhe will Horst Gauß noch lange nicht an den Nagel hängen. Foto: Postl

Neu-Isenburg (lfp) – „Ich brauche doch kein Shirt, ich kann mich doch noch so sehen lassen“, sagt Horst Gauß. Gesagt, getan: Fürs Pressefoto streift er die Oberbekleidung ab und die schwarzen Boxhandschuhe über. Das Posieren fällt dem einstigen Amateurboxer natürlich nicht schwer. Noch heute ist er als Trainer tätig, das Boxen hält ihn jung und fit. Am 19. Juli konnte Horst Gauß seinen 80. Geburtstag feiern.

1937 wurde er in Essen geboren, die alleinerziehende Mutter zog bald mit ihm im nach Dresden, ganz nahe an den berühmten Zwinger. Als er elf Jahre alt war, starb die Mutter. „Meine Tante Maria Wohlenberg, die in Frankfurt wohnte, hat sich schon immer um mich gekümmert, deshalb bin ich auch dorthin gezogen“, erklärt Gauß den Sprung an den Main.

Nur schwer zu bändigen

Doch seine Tante hatte Schwierigkeiten, den Jungen zu bändigen. Gauß landete in verschiedenen Pflegestellen und Kinderheimen – das letzte in Eberbach. „In dieser Zeit bin ich auch schon mal Betteln gegangen“, erklärt der Jubilar ganz offen. Er machte seinen mittleren Schulabschluss und begann eine Lehre als Industriekaufmann bei Brown, Boveri & Cie. „Dann stand auch schon die Bundeswehrzeit an, dort habe ich einen echten Rechtsdrall bekommen“, erinnert sich Gauß an Heldengesänge der Offiziere. Nach der Bundeswehr holte Gauß über das Hessen-Colleg sein Abitur nach und studierte Volkswirtschaft. „Da wurde ich völlig nach links umgedreht“, beschreibt Horst Gauß die Wirkung der Vorträge Helmut Schmidts und seiner Dozenten. Hier kam er erstmals auch mit dem Boxsport in Berührung.

Um Geld zu verdienen, verdingte sich Horst Gauß als „Drücker“ bei einer Agentur für Zeitungsabonnenten. „Da habe ich richtig gutes Geld verdient“, erinnert er sich. Nachdem er sich mit ein paar Freunden im Box-Club überworfen hatte, gründete er einfach einen eigenen – den CSC Frankfurt-Sachsenhausen. Horst Gauß stieg zum Werbeleiter der Drücker-Agentur auf und konnte dadurch den Box-Club auch finanziell unterstützen.

Drei Meisterschaften mit dem CSC Frankfurt

„Wir hatten einen großen Zulauf und waren damals der einzige Verein in ganz Deutschland mit einem eigenen Gym, und nebenan war die Sporthalle Süd, die bei den folgenden Kämpfen immer voller wurde“, erinnert sich Gauß an glorreiche Zeiten. Er selbst war erfolgreicher Box-Sportler und bestritt bis zu seinem 40. Lebensjahr 83 Kämpfe. Sein größter Erfolg waren jedoch die drei deutschen Meisterschaften des CSC Frankfurt (1985, 1988 und 1990). Horst Gauß ist bis heute Boxtrainer, auch Willi „de Ox“ Fischer lernte bei ihm das Boxen.

Direkt nach der Wende engagierte sich Gauß beim ehemaligen SG Wismut-Gera und errang 1991 mit ihm die Meisterschaft in der Zweiten Bundesliga. Horst Gauß war wesentlich daran beteiligt, dass nach der Wiedervereinigung die ost- und westdeutschen Vereine, entgegen den Absichten des Boxverbandes, in einer Staffel boxten. Für sein Engagement für den Amateur-Boxsport und die Jugendarbeit wurde Horst Gauß im Jahr 2000 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

1978 erwarb Horst Gauß ein idyllisches Refugium mitten in der Hugenottenstadt an der Richard-Wagner-Straße, wo er sich mit seiner Partnerin sehr wohl fühlt. „Die größte Anerkennung für mich ist es jedoch, dass sich heute noch meine Schüler vor mir verneigen, wenn ich ins Trainings-Gym des Challenge-Clubs an der Darmstädter Landstraße komme.“