Ein Relikt des Kalten Krieges Gerhard Gräber referiert über 30 Jahre Selbstschutz

Gerhard Gräber in seiner Selbstschutzberater-Uniform. Foto: p

Neu-Isenburg (red) – 30 Jahre Selbstschutz in Neu-Isenburg war das Thema des Vortrags von Selbstschutzberater a. D. Gerhard Gräber beim Bembeltreff im Haus zum Löwen.

Nach der Begrüßung durch Jessica Siebeneich berichtete Gräber über Anfang (1967) und Ende (1997) des Bundesverbandes für Selbstschutz sowie über Selbstschutz in Neu-Isenburg, der hier 1986 ins Leben gerufen wurde – allerdings lediglich den drei Selbstschutzberatern Karl Vollhardt, Günter O. Schulze und Gerhard Gräber.

Mit Hilfe von Feuerwehrchef Karlheinz Müller sowie dem bei der Stadt dafür zuständigen Stefan Werner, etablierten sich die drei als erster und einziger Selbstschutzstützpunkt in Südhessen. Nach vielen Lehrgängen begannen sie mit ihren Beratungen, die von mehr als 300 Personen besucht wurden.

Regelmäßige Messungen zahlten sich bei Tschernobyl-GAU aus

Auch begann das Trio mit regelmäßigen Messungen in den zuvor festgelegten sieben Selbstschutzbezirken in Neu-Isenburg, darunter fünf in der Kernstadt sowie je einer in Zeppelinheim und Gravenbruch. Das zahlte sich beim größten Schrecken in der aktiven Zeit der Selbstschutzberater aus: dem Kernkraftwerksunglück in Tschernobyl. Die drei fuhren sofort zu Messungen raus, denn Basiswerte lagen ja dank der regelmäßigen Messungen vor und man konnte erst mal beruhigen: keine erhöhten Becerelwerte gegenüber den Basiswerten.

Um die Bevölkerung zu beruhigen, führte man am Feuerwehrhauptstützpunkt Messungen an Personen, Tieren, Obst und Gemüse durch. Das Innenministerium verbot zeitnah die Weitergabe von Messdaten, obwohl dieses selbst keine Basiswerte hatte. Trotz einiger Mängel ist Gräber der Auffassung, dass damals viel für den Schutz der Zivilbevölkerung getan wurde, wenn auch im Falle eines Atomkriegs zwischen USA und UdSSR keine Chance bestanden hätte. Aber bei lokalen Unglücken gab es Schutzmaßnahmen, die ergriffen werden konnten, sagte Gräber.

Heute gäbe es kaum Hilfe mehr

Heute gibt es nicht mehr viel Hilfe, auch wird auf Katastrophenfälle und die Vorsorge nicht mehr hingewiesen, es gibt ja keine Berater mehr. Doch was ist zu tun, wenn die Supermärkte zu sind, kein Wasser mehr läuft, es kein Gas und keine Elektrizität mehr gibt? In der nachfolgenden Diskussion wurde Kritik geteilt. Man müsse beginnen, dies in den Schulen zu präsentieren, meinte eine Zuhörerin und es wurde Unverständnis darüber geäußert, dass eine gut ausgebildete, ehrenamtliche Beratungseinrichtung nach der Devise „Braucht es nicht mehr, es gibt keine Feinde mehr“ deutschlandweit aufgelöst und zum Beispiel die Sirenenalarmierung abgeschafft wurde.

Im Anschluss zeigte Gräber seine Uniform, Ausrüstungsgegenstände sowie Unterlagen und Presseausschnitte über die zehnjährige Arbeit der Selbstschutzberater, die sogar vom Hessischen Rundfunk interviewt wurden.