Gitarrist Mark Protze hofft auf baldige Auftritte „Ich habe in der Krise noch Glück“

Eine gefühlte Ewigkeit trat Mark Protze nicht mehr auf, der dennoch kein Lamento anstimmt. Foto: Mangold

Neu-Isenburg – Kaum jemand kämpft mit den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie so heftig wie die Bühnenkünstler. Statt Applaus herrscht ewig andauernde Tristesse. Dem Neu-Isenburger Rockgitarristen Mark Protze gingen Dutzende Konzerte flöten, dennoch betont er „anderen geht es viel schlimmer als mir“. Der 45-Jähre hofft, dieses Jahr doch noch live vor Publikum in die Saiten zu greifen.

Nein, er könne aus dem Stegreif nicht sagen, wie viele Konzerte und Auftritte ihm durch die Maßnahmen gegen die Verbreitung der Pandemie seit März 2020 durch die Lappen gingen, „allein 40 Konzerte dürften es wohl sein“. Exemplarisch ist der Moment, den Protze im November erlebte. Eigentlich sollte der Mann wie im Jahr zuvor mit seiner E-Gitarre jeweils die abendliche Ouvertüre einer Partywoche auf der kanarischen Insel Fuerteventura geben. Mit seiner Frau Usch Köbe, deren Nachname mittlerweile durch die Heirat im Personalausweis Mark Protzes steht, hatten sich er und die Gattin nach geltender Vorschrift auf dem Flughafen für insgesamt 280 Euro testen lassen, um anschließend in die Maschine zu dürfen. Kurz vorher klingelte Protzes Telefon. Der Veranstalter sprach am anderen Ende, „sorry, Mark, die Show fällt aus“. Das letzte Freiluftkonzert spielte Protze mit der Band „Ryffhuntr“ unter tristen Verhältnissen im Autokino Gravenbruch, wohin die Stadt wegen der Pandemie das Open-Doors-Festival verlegen musste. So richtig nahm das Publikum den alternative Platz nicht an, „sicher auch, weil die Leute nicht für etwas bezahlen wollen, was sie bis dahin kostenlos bekommen haben“. An der Akustik-Gitarre spielte der außergewöhnlich virtuose Instrumentalist ansonsten mit dem Rock-Duo „Taste Of Glory“ bei dem Benefizkonzert „Stream Gig Dieburg“; nicht vor Menschen vor der Bühne, sondern online. Dennoch kamen für die Reha einer schwer verunfallten Jugendlichen über 10.000 Euro zusammen.

Der aus Wolfsburg stammende Norddeutsche ist kein Typ, dem das Lamentieren liegt. „Ich habe in der Krise noch Glück“, betont Protze. Er kenne aus seiner Branche einige, die sich vor einem Jahr partout noch nicht vorstellen konnten, einmal durch die Türe des Sozialamts zu gehen, um Hartz IV zu beantragen. Das blieb dem Mann erspart, der online Gitarrenunterricht gibt und sich nach wie vor auf eine feste monatliche Überweisung verlassen kann. Im Bildungszentrum Westend kümmert sich Protze um Kinder, leitet in der Nachmittagsbetreuung in normalen Zeiten eine Gitarren-AG. Während Lockdown-Zeiten betreut der 45-Jährige jene, deren Eltern in Berufen arbeiten, auf die eine Gesellschaft nicht verzichten kann, ohne zusammen zu brechen.

Protze beobachtet seit Beginn der Pandemie, wie Kinder, deren Eltern nicht in der Lage sind, monatelange Schulausfälle zu kompensieren, sozial und schulisch unter die Räder kommen, „sie verlieren ihren Rhythmus“. Ihr Tag verschiebt sich, „sie stehen spät auf, weil sie nachts vor dem Fernseher oder Computer sitzen“. Der Musiker selbst nutzte die unfreiwillig freie Zeit bisher, um zu üben und zu komponieren, „die Songs reichen für die nächsten fünf Jahre“.

Protze erzählt von seiner ersten Band „Anxiety“, in der er von 1992 bis 1996 in Wolfsburg spielte, „der Kontakt riss jedoch niemals ab“. Zwei neu eingespielte Songs der Formation habe er online gestellt, „ich war überrascht, wie gut das ankam“. Sogar aus Japan hätten Hörer nach CDs gefragt, „wir wollen weitere Nummern aufnehmen“.

Mark Protzes Konzertkalander wirkt nach wie vor verwaist. Bis jetzt steht lediglich ein Termin drin: Fuerteventura im November. Der Musiker hofft, dass sein Telefon dann kurz vor dem Abflug nicht klingelt.
man