Friedhofszweckverband beleuchtet in Workshop Veränderungen der Bestattungskultur Die Konkurrenz im Blick

Stefan Lubowitzki tippt: Der Friedhofszwang wird verschwinden – die Urne dürfte dann auch zuhause stehen. Foto: man

Neu-Isenburg (man) – Erst spricht der Pfarrer, dann sinkt der Sarg ins Grab, das die Angehörigen pflegen werden. Das Bild stimmt nur noch bedingt. Mittlerweile konkurrieren Trauerredner mit den Geistlichen, immer mehr lassen sich andernorts beisetzen. Darum, wie der Friedhof im Jahr 2050 aussehen soll, ging es bei einem Workshop, zu dem der Friedhofszweckverband in die Trauerhalle des Waldfriedhofs eingeladen hatte.

Auch Friedhöfe werden sich verändern. „Deshalb arbeiten wir daran, den Bedürfnissen der Menschen noch näher zu kommen und alles auf den Prüfstand zu stellen“, betont Andrea Mansfeld. Die Geschäftsführerin des Zweckverbands hatte mit der Architektin Elke Chmella-Emrich, dem Friedhofsexperten Christoph Heuser und dem Moderator Stefan Lubowitzki, Mitarbeiter der Firma Roland Weiher Friedhofstechnik aus Freiburg, eingeladen.

Auf die aktuellen Veränderungen und die Problematik ging Lubowitzki ein und ermunterte zu Vorschlägen – „alles im Hinblick auf das Jahr 2050“. Die Perspektive liegt in der Natur der Sache, „das Nutzungsrecht für ein Grab dauert 30 Jahre“. Die Ägypter steckten einen Großteil ihrer Produktivität in Pyramiden, die Grabmäler der Pharaonen. Von dem Gedanken, im Tod zu zeigen, was man im Leben hatte, nehmen hierzulande immer mehr Bürger Abstand. Man will die Erben möglichst wenig belasten. In Dreieichenhain orderten 69 Prozent der Verstorbenen eine Urnenbeisetzung, in Neu-Isenburg spiegelten die 73 Prozent fast den Bundesschnitt wider. Vor 22 Jahren machten Särge noch beinahe die Hälfte aller Bestattungen aus. Die Option kostet 50 Prozent mehr als die Asche in der Urne.

„Die Friedhöfe bekommen außerdem Konkurrenz“, konstatiert Stefan Lubowitzki. Seit Jahren erlaubt der Gesetzgeber Urnenbestattungen in ausgewiesenen Wäldern. Das kostet die Angehörigen nicht nur weniger, sie brauchen sich auch um keine Grabpflege zu kümmern. Ein Thema, das mittlerweile 44 Prozent der Bundesbürger als belastend empfänden; 47 Prozent präferierten für sich eine pflegefreie Bestattung, „egal, ob erlaubt oder nicht“.

Das hänge auch mit der Mobilität zusammen. Wer in Rosenheim wohnt, kann in Stralsund keine Blumen am Grab pflanzen, „früher blieben die Leute meist dort, wo sie auf die Welt kamen“. Lubowitzki tippt, der Friedhofszwang werde verschwinden. Der beinhaltet auch das Verbot, die Urne zu Hause aufzubewahren. Aus dem Grund lassen manche ihre Angehörigen etwa in den Niederlanden verbrennen. Lubowitzki benennt mögliche Probleme: „Was ist, wenn die Urne beim Sohn auf dem Kamin steht, der Krach mit der Schwester hat?“ Deren Besuche bei Mutter könnten sich schwierig gestalten.

Lubowitzki berichtet von exzentrischen Bestattungsformen, „wer das Geld hat, lässt sich aus der Raumkapsel ins Weltall streuen“. Bei einer anderen Variante wandelt sich die Asche in einen synthetischen Diamanten. Verwitwete können so den Partner am Finger tragen.

Die Friedhofsbetreiber müssten zusehen, „wie sie ihr Angebot attraktiver gestalten und Kosten senken“, betont der Fachmann. Frühere Berechnungen hätten vermuten lassen, dass für die Toten bald mehr Platz von Nöten sei, „die Gräber sind zwar noch zwei Meter lang, aber oft nur noch einen Meter breit“. Zum einen empfiehlt Lubowitzki eine Verdichtung, „hier die Gräber, dort die freie Fläche“. Das erleichtere die Pflege. „Zum anderen müssen wir überlegen, wie sich die Atmosphäre verändern lässt.“

Das könne durch Umbauten geschehen, hin zum parkähnlichen Charakter. Auch mehr Leben auf dem Friedhof wäre vorstellbar. Lubowitzki gibt als Beispiel, Schulkinder könnten auf der Wiese ein Insektenhotel bauen: „Die Atmosphäre der Gegenwart bestimmt vor allem die Friedhofsordnung.“