Wider das Vergessen Majer Szanckower gibt Einblicke in DP-Lager Föhrenwald

Majer Szanckower Foto: lfp

Neu-Isenburg (lfp) – „Ich gehe mal davon aus, dass die meisten mit dem Begriff Displaced Persons bisher nichts anfangen konnten“, sagte Majer Szanckower. Und er sollte recht behalten. Am 27. Januar wurde das Vernichtungslager Auschwitz von der Sowjetarmee befreit und Bundespräsident Roman Herzog war es, der 1996 den 27. Januar zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus machte. 2005 erklärten dann auch die Vereinten Nationen den 27. Januar zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust.

Majer Szanckower, der im DP-Lager Föhrenwald bei München aufwuchs, berichtete im Alten Goethegymnasium von seinen Erinnerungen. „Die beste Versicherung gegen Völkerhass, Totalitarismus, Faschismus und Nationalsozialismus ist und bleibt die lebendige Erinnerung an die die aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte“, betonte Gabriele Loepthien, die Leiterin der Seminar- und Gedenkstätte Bertha Pappenheim, bei der Begrüßung der mehr als 50 Gäste.

Die Geschichte von Majer Szanckowers Familie ist wie die vieler europäischer Juden geprägt von Flucht, Exil und Neuanfang. Seine Eltern kamen nach dem Krieg aus der Sowjetunion nach Deutschland. Ihre Familien waren im Holocaust ermordet wurden, sie selbst hatten alles verloren. Zuflucht fanden diese Menschen ohne Heimat dann in den sogenannten Lagern für Displaced Persons“, die die Amerikaner im Nachkriegsdeutschland einrichteten. Majer Szanckower wurde 1947 in einem solchen Lager in Berlin geboren und kam dann ins DP-Lager Föhrenwald bei München, wo er umgeben von jiddischer Sprache aufwuchs. 1957 kam Szanckower mit seiner Familie nach Frankfurt, wo er bis heute lebt und als Verwalter der jüdischen Friedhöfe tätig ist.

Heimatlose kamen in Klöstern und Kasernen unter

„Die Juden die den Holocaust überlebt hatten konnten plötzlich auch nicht mehr dort leben, wo sie waren, und suchten Schutz im nun sicheren Deutschland“, nannte Szanckower die Gründe für die einsetzende Flucht – nicht nur von Juden – aus Osteuropa. Die Siegermacht USA versuchte die heimatlosen Menschen möglichst in schnell eingerichteten Lagern unterzubringen. „Das waren Kasernen, aber auch Klöster und andere beschlagnahmte Objekte, die sich für einen solchen Zweck eigneten“, berichtete Majer Szanckower.

Dies brachte aber auch mit sich, dass sich Menschen aus Gefangenenlagern plötzlich ihren ehemaligen KZ-Aufsehern, die ebenfalls geflüchtet waren, gegenüber sahen. „Das war für die Gepeinigten eine unerträgliche Situation“, schilderte Majer Szanckower die Problematik. Nach und nach wurden aber rein jüdische Lager eingerichtet. Seine Familie kam dann von Berlin nach Föhrenwald bei München. „Nach der Wiederherstellung der eigenen Gesundheit stand dann die Sorge um das Schicksal der anderen Familienmitglieder im Vordergrund“, betonte der Referent.

Auffällig für ihn war die Einstellung der Juden zur Arbeitsverweigerung in den Lagern. „Sie hatten durch die Erlebnisse, was die Deutschen ihnen angetan hatten, sich entschieden, nie mehr etwas für dieses Land zu tun – und schon gar nicht für einen Wiederaufbau nach dem Krieg“, betonte Szankower. Vielmehr sahen sie eine Chance darin, durch Zeugung neuen Lebens, es gab kaum noch jüdische Kinder, den Fortbestand des jüdischen Volkes zu sichern. „Alle jüdischen Lagerbewohner lebten mit der Hoffnung, dass dies nur ein ,Wartesaal‘ sei, bis sie in den neu gegründeten Staat Israel übersiedeln konnten“, beschrieb Majer Szanckower seine Erinnerungen. Doch wer nicht ganz gesund war, der hatte keine Chance.

Kultur als Überlebenselexier

Erst als nichtjüdische Flüchtlinge ins Lager kamen und dort Hand anlegten, ihre zugewiesen Häuser renovierten und sich entsprechend einrichteten, wich auch bei den Juden langsam die Verweigerung. „Aber alle wollten dennoch irgendwie weg und stellten Ausreiseanträge für alle möglichen Länder“, so Szanckower. Bis dahin entstand im jüdischen Bereich des Lagers Föhrenwald alles was zu einer funktionierenden Kommune gehört: Synagoge, eigene Schule, ein Mikwe-Bad, ja sogar eine eigene Verwaltung und Polizei. „Die Kultur war ein bedeutsames Überlebenselexier und wurde aktiv gepflegt“, erinnert sich Majer Szanckower an traditionelle Feiern. Erst 1957 wurde das Lager Föhrenwald aufgelöst

Die Ausstellung „Ein Leben aufs neu – Jüdische Displaced Persons auf deutschem Boden 1945-1948“ des Fritz Bauer Instituts ist noch bis 29. Februar in der Treppenhaus-Galerie des Alten Goethegymnasiums, Hugenottenallee 82,zu sehen.