Stadt will etwas gegen Rückgang von Insekten und Vögeln unternehmen Naturoasen für bedrohte Tierarten schaffen

Die Stadt will etwa Grünanlagen so aufwerten, dass dort Vögel und Bienen ein Zuhause finden. Auch sollen mehr Naturnahe Flächen geschaffen werden. Foto: lfp

Neu-Isenburg (lfp) – Wo sind sie geblieben? Die vielen Insekten, die Bienen, Käfer und vor allem Schmetterlinge, die einst Wiesen, Gärten und Balkonblumen besuchten? Aber auch in der Vogelwelt gibt es einen große Bestandsreduzierung, wie von vielen Fachleuten bestätigt. Die Ursachen mögen vielfältig sein, aber man kann helfen, zumindest jenen Lebewesen in der Natur, die es noch gibt, bessere Existenzgrundlagen zu bieten. „Aufgerüttelt durch die Hiobsbotschaften der letzten Zeit“, will nun die Stadt dem Rückgang von Bienen und Vögeln aktiv entgegenwirken. Dafür sollen Grünanlagen aufgewertet und mehr naturnahe Flächen geschaffen werden. Isenburger, die im heimischen Garten ein Vogelhäuschen haben, berichten - wie Leute überall im Land - dass es immer weniger Logiergäste gebe. „Wir wissen, dass seit einiger Zeit Wissenschaftler Alarm schlagen und deshalb wollen wir in unserer Stadt mit entsprechenden Maßnahmen entsprechend entgegenwirken“, betont Bürgermeister Herbert Hunkel. Langjährige Untersuchungen belegen einen dramatischen Insektenschwund in den letzten Jahrzehnten. Zwar zählt diese Tiergruppe nicht gerade zu den Lieblingen vieler Menschen - man denke gerade an die Wespen in diesem Jahr. Man verkennt aber dabei, welch große Rolle Insekten im Naturhaushalt spielen“, sagt der Bürgermeister. Honig- und Wildbienen seien die fleißigsten Bestäuber und sorgen so unter anderem für eine reiche Obsternte. Bis zu 50 Prozent aller Blütenbesuche werden jedoch von anderen Gruppen wie Käfern, Fliegen oder sogar Ameisen geleistet, um nur einige zu nennen. Gleichzeitig ernähren sich viele Tiere wie Igel, Fledermäuse und vor allem zahlreiche Vogelarten von Insekten. Gerade während der Jungenaufzucht benötigen Vögel eiweiß- und ballastreiche Kost wie sie Insekten bieten. Wo diese fehlen, geht die Zahl erfolgreicher Bruten zurück. In der Stadt darben deshalb vor allem Mauersegler und Schwalben. Derzeit streitet man sich noch über die Ursachen des negativen Trends. Die intensive Landwirtschaft mit Monokulturen und Pestizideinsatz spielt sicher eine wichtige Rolle - aber nicht allein. „Dazu kommen zunehmende Flächenversiegelung und allgemein der Rückgang naturnaher Räume gerade hier im Ballungsraum“, erklärt Hunkel. Auch der Wunsch vieler Menschen nach Gärten und Grünflächen, die möglichst pflegeleicht und ordentlich sein sollen, dränge die Tierwelt weiter in die Defensive. Dabei, so heißt es vom Magistrat, „könnten all diese Freiflächen bei entsprechender Gestaltung vielen Arten unserer heimischen Tier- und Pflanzenwelt Lebensraum bieten“. Deshalb sollen die öffentlichen Grünflächen „Zug um Zug behutsam ökologisch aufgewertet werden“. Eine erste Bestandserfassung habe man bereits gemacht. „Als Inspiration dient die vom Nabu 2017 angelegte Naturoase im Gewerbegebiet Süd an der Hermannstraße“, verweist Hunkel auf ein Vorbild. In diesem Herbst werde man deshalb erstmals bei der Pflanzaktion sogenannte „botanische“ Blumenzwiebeln setzen, die sich bei geeigneten Standortbedingungen von selbst vermehren und schon früh im Jahr Nektar und Pollen bieten. Auch die Wohnungsbaugesellschaft Gewobau sei schon aktiv geworden, pflege ihre Grünflächen intensiver, pflanze heimische Bäume und Sträucher wie Eberesche und Felsenbirne, richte Mietergärten ein und installiere bei Sanierungsarbeiten in Zusammenarbeit mit dem Nabu Nistmöglichkeiten für Gebäudebrüter wie Rotschwanz und Mauersegler. Zudem hat die Stadt kürzlich alle in Neu-Isenburg präsenten Wohnungsbaugesellschaften angeschrieben, um sie für das Thema zu sensibilisieren. Besonders wird in dem Schreiben für das Anlegen von Blumenwiesen und Blühstreifen geworben. Hunkel hofft aber auch, dass möglichst viele Bürger mitziehen: Jeder sei in seinem eigenen Einflussbereich gefragt, etwas für die Tiere zu tun. Dazu gebe es viele Möglichkeiten, für mehr Natur in der Stadt zu sorgen - sei es im Garten oder Vorgarten, auf dem Balkon, an der Fassade oder auf dem Dach. Das könne mit dem Pflanzen eines Obst- oder Nussbaums anfangen und der Verwendung von Liguster, Kornelkirsche oder Hainbuche anstelle von Thuja und Kirschlorbeer. „Auf kleiner Fläche kann Fassadengrün mit Kletterhortensie und Wilden Wein eine Möglichkeit zur Schaffung von mehr Grün sein. Und wer auf seinem Balkon Kräuter wie Salbei, Schnittlauch, Dill und Basilikum blühen lässt, lockt zahlreiche Blütenbesucher an“, verweist Markus Bucher, der Biologe der Stadt auf Möglichkeiten, um entsprechende Bedingungen für die Tiere zu schaffen. Für Staudenpflanzungen mit bewährten Arten wie Fetthenne, Geißbart, ungefüllten Astern, Königskerzen und Glockenblumen finde sich wohl in jedem Garten ein Plätzchen - geeignete Arten gibt es für jeden Standort. Viel sei auch gewonnen, wenn man etwas mehr „Unordnung“ zulässt, merken die Biologen an: „Wer den Rasen seltener mäht, ermöglicht das Blühen von Veilchen, Gänseblümchen, Ferkelkraut und anderen Arten“, so die Biologin Hildegard Dombrowe. Eine Laubdecke unter Hecken schütze nicht nur den Boden vor dem Austrocknen, sondern beherbergt auch viele Kleintiere und Insekten - ein Laubsauger macht allem den Garaus und sollte nur dort zum Einsatz kommen, wo es unbedingt sein muss. Ansprechpartner bei der Stadt sind die Biologen Markus Bucher unter Telefon 06102 241764 und Hildegard Dombrowe unter Telefon 06102 241720.