Gemeindeversammlung der evangelischen Kirche Gravenbruch rund um Abriss und Neubau Planänderung für Kita stößt auf Unverständnis

Visualisierung einer Neubauvariante: Das neue Kirchengebäude rückt vorne an den Turm zum Dreiherrnsteinplatz. Am Standort der heutigen Kirche und Gemeinderäume entstehen bis zu 80 Wohnungen.

Neu-Isenburg (lfp) – Es gibt für ein aktives Gemeindemitglied einer Kirchengemeinde wohl kaum Schlimmeres, als mit ansehen zu müssen, wie die einst unter vielen Mühen aufgebaute Kirche dem Erdboden gleich gemacht werden soll. Da mag es auch kaum tröstlich sein, versichert zu bekommen, dass Kirche und Gemeinderäume, wenngleich viel kleiner, unweit neu erstehen werden. Diese für die meisten Teilnehmer der Gemeindeversammlung der evangelischen Kirche Gravenbruch schwer zu fassende Situation bestimmte denn auch die Stimmung im heute unverhältnismäßig großen Gotteshaus. Die Zahl der Gemeindemitglieder ist mittlerweile unter 1.000 gesunken, zu besten Zeiten waren es 4.000 Mitglieder.

Pfarrerin Barbara Friedrich begrüßte am Sonntag rund 30 evangelische Christen und Neu-Isenburgs Bürgermeister Herbert Hunkel, der trotz schwerer Erkältung Rede und Antwort stand. „Wir wissen von der seit Jahren schwierigen finanziellen Situation, Kirche und Gemeinderäume zu unterhalten, von einer Sanierung gar nicht zu reden“, fasste Pfarrerin Friedrich die Lage zusammen, verwies aber auch darauf, dass man mit dem Verkauf eines großen Teils des Grundstückes, auf dem künftig Wohnungen entstehen sollen, eine Lösung gefunden habe. „Besonders die Realisierung einer Kindertagesstätte in einem der Wohngebäude hat uns viel Hoffnung gegeben. Doch jetzt soll alles anders kommen“, zielte sie auf die kürzlich vorgestellten Pläne der Stadt Neu-Isenburg, auf städtischem Grund eine „eigene“ Kindertagesstätte errichten zu wollen.

Hier war nun Bürgermeister Herbert Hunkel gefragt, der auch gleich konkret wurde. Unverständnis zeigte er über Meldungen von Kirchenaustritten als Reaktion auf die Nachricht der neuen städtischen Kita-Baupläne.

„Wir wollen Ihnen doch nichts Böses, sondern Sie nun unterstützen, Ihre Lage baldmöglichst in den Griff zu bekommen“, betonte Hunkel. Die Verhandlungen mit dem Wohnungsbauunternehmen Bonava, das Wohnungen und Kindertagesstätte errichten wollte, hätten sich als sehr schwierig erwiesen, so das Stadtoberhaupt. „Wir brauchen eine gesicherte rechtliche Situation und diese haben wir jetzt mit unserer Initiative geschaffen“, begründete Bürgermeister Herbert Hunkel die neue Entscheidung zum Bau der Kindertagesstätte. „Jetzt hat Bonava mehr Platz für Wohnungen und wir bieten den Kindern mehr räumliche Möglichkeiten und vor allem eine größere Freifläche.“

Bekanntlich soll das Flachgebäude am Dreiherrnsteinplatz, in dem jetzt die Polizeistation und städtische Amtsräume untergebracht sind, komplett abgetragen und an gleicher Stelle ein Neubau erstellt werden. „Dort werden wir wieder die Polizeistation, ein Bürgeramt und die Kindertagesstätte sowie Wohnungen unterbringen, denn wir bauen höher als heute“, so Hunkel. Durch diese eigenständige Lösung kann die Stadt Neu-Isenburg auch öffentliche Fördermittel von rund 320.000 Euro beantragen. „Wir werden durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan recht schnell für Ihr als auch unser Vorhaben entsprechendes Baurecht schaffen“, betonte Hunkel. Bereits bis Ende dieses Jahres könnte somit Baurecht geschaffen werden. Ein Fachgespräch wurde anberaumt, hier geht es vorrangig um die Verlegung des verrohrten Baches, der im Untergrund des kirchlichen Grundstückes verläuft. Die Verlegung ist erforderlich, weil unter dem Wohngebäude eine Tiefgarage entstehen soll.

Pfarrerin Barbara Friedrich brachte noch einmal die „Erschrockenheit“ der Kirchengemeinde über ein jetzt neues Verfahren zum Ausdruck. „Offensichtlich ist es uns bisher nicht gelungen, eine vertrauensvolle Basis zu schaffen. Dies wollen wir nun ändern“, sagte Friedrich und verwies ferner darauf, dass man auch andere Bauträger kontaktiert, aber nur von Bonava ein Angebot erhalten habe. Sie schätzt, dass im Sommer 2020 mit dem Bau der neuen Kirche begonnen werden kann. Die Pfarrerin machte aber auch deutlich, dass man Abstriche gegenüber den heutigen Räumlichkeiten und verschiedenen Angeboten machen müsse.

Ziemlich echauffiert zeigte sich Christoph Fuhr vom Gemeindevorstand. „Unser Selbstverständnis war es immer, Brücken zu bauen, die Menschen zusammenzubringen und zu integrieren, das wird künftig so nicht mehr möglich sein. Wir hatten manchmal das Gefühl, im Stich gelassen worden zu sein, auch von der Stadt“, so Fuhr, der über 30 Jahre dem Kirchenvorstand angehört. Aus den Reihen der Gemeindemitglieder kamen zahlreiche Fragen, die jedoch die evangelische Kirche eigenständig klären muss. Was wird aus den schönen Fenstern, die so ein tolles Lichtspiel zaubern? Was wird aus der Orgel mit ihrer wunderbaren Akustik? Was aus Joachim Reinhard mit seiner Jugendarbeit und was aus der Pfarrerin selbst?

Wie Pfarrerin Barbara Friedrich erläuterte, hat sie noch ein paar Jahre bis zu ihrem Ruhestand und wird der Gemeinde in Gravenbruch erhalten bleiben. Die Jugendarbeit wird auch weiterhin von der Stadt Neu-Isenburg unterstützt und ob die Filme in eigenen Räumen oder in anderen gezeigt werden, solle jetzt nicht das große Problem sein, so die Pfarrerin. „Wir haben bereits drei unabhängige Gutachten bezüglich eines Umzuges der Orgel, die anscheinend ein hohes Identitätsmerkmal darstellt, eingeholt. Ein Umzug in das neue Kirchengebäude ist möglich und auch sinnvoll, allerdings betragen die geschätzten Kosten rund 70.000 Euro“, erklärte Barbara Friedrich.

In ihrem Schlusswort hob die Pfarrerin noch einmal hervor, dass es auch ihre Aufgabe sei, dafür zu werben, dass Veränderungen nicht nur Schlechtes mit sich brächten. „Wir sollten froh sein, als so kleine Gemeinde unseren Fortbestand gesichert zu sehen“, gab sie allen mit auf den Weg.

Weitere Artikelbilder