Vorgeschichte, Ursachen, Folgen: Sonderausstellung im Haus zum Löwen eröffnet Revolution fiel nicht vom Himmel

Großer Bahnhof zur Eröffnung zwischen den Tafeln der Sonderausstellung „1848 – Für Demokratie und Menschenrechte“, in die Historikerin Dr. Heidi Fogel, Museumsleiter Christian Kunz und Dr. Bettina Stuckard, Leiterin des städtischen Fachbereichs Kultur, viel Arbeit investiert haben. Bild: Postl

Neu-Isenburg – Heinrich Michel ist erst 15 Jahre alt, als er am 19. September 1848 im Hospital zum Heiligen Geist seinen Verletzungen erliegt, die er am Tag zuvor während der Frankfurter Barrikadenkämpfe erlitten hat. Warum der 1832 in Neu-Isenburg geborene junge Mann, der nach der Schule eine Schneiderlehre beginnt, sich am 18. September in Frankfurt aufhält, ob er vielleicht zufällig in die Kampfhandlungen gerät? Unklar. Sein Tod jedoch ist in den Sterbebüchern im Kirchenarchiv der evangelisch-reformierten Marktplatzgemeinde dokumentiert.

Im September 1848 war mächtig was los im benachbarten „Ausland“ – genauer gesagt in der preußischen Stadt Frankfurt. Die schon länger im Volk gärende Revolution eruptierte förmlich zu einer bis dahin nicht gekannten Protestaktion: Man errichtete Barrikaden und rief zum Umsturz der Obrigkeit auf. Die Herrschaft der „Fürsten“ sollte auf das Volk übergehen. Auch aus Neu-Isenburg beteiligten sich Bürger.

Welch vielfältige Gründe es für die September-Revolution gab, zeigt die Sonderausstellung „1848 – Für Demokratie und Menschenrechte“, die nun im Stadtmuseum Haus zum Löwen zu sehen ist. Auf 55 Tafeln gibt sie mit Bildern und vor allem Texten einen umfassenden historischen Überblick über die Geschehnisse. Und auch ein Lebensbild der 1840er-Jahre in Deutschland und insbesondere im Rhein-Main-Gebiet wird gezeichnet. „Die allgemeinen Lebensumstände der Zeit, aber auch einzelne Akteure aus Neu-Isenburg, Frankfurt und der Region werden vorgestellt“, erläutert Museumsleiter Christian Kunz. Die Ereignisse des Vormärzes und ihr Niederschlag in Kunst und Kultur, Musik und Literatur sind eigene Themenbereiche der Schau, ebenso die Lebenswelt von Frauen im 19. Jahrhundert.
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„Das Jahr 1848 ist so etwas wie ein Zeitstrahlmarker“, sagt Bürgermeister Gene Hagelstein, Schirmherr des Isenburger Veranstaltungsreigens zum Jubiläumsjahr 175 Jahre Nationalversammlung in der Paulskirche, bei der Eröffnung am Freitagabend. „Von der Formulierung einer Verfassung bis zu deren Umsetzung war es ein langer Weg. Umso wichtiger ist es, sich den Wert dieser Verfassung immer wieder zu vergegenwärtigen“, sagt Hagelstein.

Die Ausstellung, so schreibt er in seinem Vorwort zum lesenswerten Ausstellungskatalog, „möchte einen Beitrag leisten, Demokratie als hohes Gut zu erkennen und Menschen für die eigenen Handlungsspielräume zu sensibilisieren. Sie fordert dazu auf, Demokratie zu leben und mitzugestalten.“ Das Stadtoberhaupt dankt den Initiatoren Christian Kunz, Historikerin Dr. Heidi Fogel und Dr. Bettina Stuckard, Leiterin des städtischen Fachbereichs Kultur. Aber auch Musikwissenschaftler Karl-Werner Joerg, Florian Schäfer und Dirk Wölfing haben Texte beigesteuert.

Bereits vor 25 Jahren hatte die Marktplatzgemeinde unter ihrem damaligen Pfarrer Matthias Loesch zum 150-jährigen Jubiläum insgesamt fünf Veranstaltungen zum Thema der Demokratiebewegung organisiert. Ein Höhepunkt war dabei das Gastspiel des Liedermachers Stephan Krawczyk, der aus Neu-Isenburgs Partnerstadt Weida stammt.

Mit einem kurzen Vortrag geht Dr. Heidi Fogel auf die historisch bedeutsamen Inhalte der Schau ein. „Diese Ausstellung übernimmt in diesem Konzept vor allem die Aufgabe der Sachinformation – über die Revolution, ihre Vorgeschichte, Ursachen, Facetten und Nachwirken“, erläutert die Historikerin. Die Revolution von 1848 sei ein vielschichtiger Komplex – der deutschen wie auch der internationalen Geschichte. Die Ausstellung beleuchtet die Zeit ab 1815, denn die Revolution sei ja 1848 nicht einfach vom Himmel gefallen, so Fogel. Die Ausstellung ist bis 29. Januar 2024 im Stadtmuseum (Löwengasse 24) zu sehen.