Mehr Kultur, weitere Treffpunkte: Stadtplaner stellen erste Ideen zur Innenstadtbelebung vor – mithilfe eines zuckersüßen Vergleichs Vom Donut mit Loch zum Kreppel mit süßer Füllung

Sven Lohmeyer vom Hamburger Planungsbüro Urbanista erläutert Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke (links) und Markus Weinbrenner, Geschäftsführer Offenbach Offensiv und Hauptgeschäftsführer der IHK Offenbach (rechts im Bild), die Ideen für die Innenstadt. Foto: Stadt

Offenbach (red) – Strukturwandel, Erlebniskauf, Onlinehandel, Flächenverfügbarkeit, Renditeerwartungen: Wer über Innenstadt redet, muss die unterschiedlichen Aspekte mitdenken. Das gilt nicht nur für Offenbach, sondern auch für andere Städte, in denen teilweise mit großem baulichem Aufwand bis weit in die 1990er Jahre hinein Fußgängerzonen und Einkaufsstraßen geschaffen wurden. Dann kam das Internet. „Die Welt hat sich verändert“, weiß auch Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke, „und wir müssen jetzt Antworten für die Innenstadt der Zukunft finden.“

Vom Potenzial der Offenbacher Innenstadt sind die Stadtplaner des Hamburger Büros Urbanista überzeugt, die mit der Erstellung eines Zukunftskonzeptes beauftragt sind und jetzt einen ersten Zwischenbericht präsentierten. „Darin steckt nicht weniger als die Ambition, Offenbach bis 2029 zum Vorbild für den ‚Turnaround‘ zu machen“, spricht Sven Lohmeyer vom Planungsbüro Urbanista vom Umschwung.

Seit 2018 haben die Hamburger in einer Art Pin-Pong in unterschiedlichen Werkstätten mit Bürgern, Einzelhändlern und Politik die Licht- und Schattenseiten der Offenbacher Innenstadt herausgearbeitet. „Wir wollten wissen, wie Offenbach tickt, wie die Menschen die Innenstadt wahrnehmen, wo das Herz der Innenstadt schlägt und was fehlt“, erläutert Lohmeyer den Prozess. Denn wie in anderen Städten auch, ist in Offenbach der Strukturwandel ebenfalls sicht- und greifbar, ist auch hier das sogenannte „Innenstadt-Versprechen“ der fünf Säulen Handel, Arbeit, Kultur und Gemeinschaft, Teilhabe und Repräsentation sowie Wohnen aus dem Gleichgewicht geraten. Im Ideal, erklärt Lohmeyer, seien alle Säulen gleich stark. Aber auch das ist eben nur ein Ideal. Tatsächlich haben sich seit den 1950er Jahren Innenstädte zum Einkaufsort gewandelt und Funktionen wie Wohnen, Arbeiten, Theater, Kultur und Gemeinschaft, aber auch Sport in die Peripherie verdrängt. Der Strukturwandel betrifft Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleister gleichermaßen, „die Negativspirale erfasst alle“, ergänzt der Hauptgeschäftsführer der IHK Offenbach Markus Weinbrenner, der auch die Geschäfte des Vereins Offenbach Offensiv e.V. führt: „Wir brauchen Erlebniswelten, Begegnung, Genuss und Sinnlichkeit, einfach ein neues Ökosystem für die Innenstadt.“

Daher auch das Sinnbild des Donuts. Damit die Innenstadt wieder ein „Kreppel mit süßer Füllung“ wird, gibt es beispielsweise ein Veranstaltungskonzept, mit dem über die Offenbacher Woche hinaus Anlässe zum Besuch der Innenstadt geschaffen werden sollen. „Wir wissen, dass es viele tausend kleine Bausteine braucht, um die Innenstadt voranzubringen. Da sind Veranstaltungen, wie unlängst das Internationale Straßentheaterfestival, ein wichtiges Element zur Aufwertung der Innenstadt“, sagt Schwenke.

Mehr Kultur, aber auch mehr Treffpunkte, insgesamt mehr und andere Aufenthaltsqualitäten schlagen die Hamburger Stadtplaner für die Stadtmitte vor. Die Vision ist nicht weniger als eine „blühende Stadtmitte für alle“ mit Bewegungs- und Spielbereichen, Co-Working Space, Bücherhalle, bespielten Dächern, Gardening, Wohnen, Raum für regionale Produkte und vor allem auch viel Grün. Fünf räumliche Schlüsselprojekte, fünf Impulsprojekte und drei Basis-Projekte haben die Urbanistas definiert. Die Neuausrichtung der Stadtbibliothek zum Wissenshaus und Kulturzentrum nach skandinavischem Vorbild ist ein Beispiel für ein räumliches Projekt, öffentliche Dachnutzungen mit Ausblick eines für ein Impulsprojekt. Stadtmitte für alle bedeutet auch Partizipation und Mitmachen. Als Einladung zur Mitgestaltung ist daher auch die sogenannte Stadtraum-Offensive zu verstehen, die als Basic-Projekt dem öffentlichen Raum durch Farbe, Licht und Stadtmobiliar zu mehr Aufenthaltsqualität verhelfen soll. Damit die Ideen auch umgesetzt werden können, braucht es einen strategischen Rahmen, der den Wandel der Innenstadt in den nächsten zehn bis 15 Jahren ermöglichen und verstetigen soll. Das ist auch den politischen Akteuren bewusst, Schwenke hofft auf breite Mehrheiten, bittet aber auch um Geduld: „Der Prozess braucht Zeit. Wir brauchen Verlässlichkeit und wollen die Innenstadt nachhaltig zukunftsfähig machen.“

Neben einem fachlich-strategischen Rahmen gehören dazu auch veränderte Erwartungen seitens der Immobilienbesitzer und Investoren. „Die“, ist Jürgen Amberger, Leiter der Wirtschaftsförderung, sicher, „haben inzwischen verstanden, dass die Rechnung Innenstadt gleich Einzelhandel nicht mehr funktioniert. Sie wollen Wertverluste vermeiden und sind offen für neue Konzepte.“