Schauspieler mit und ohne Behinderung Ein ganz besonderer Theaterabend im Offenbacher Ledermuseum

Der Kaiser (Wolfgang Herz), der sich von seinen neuen Kleidern so viel verspricht und am Ende nackt vor seinem Volk steht. Foto: Mangold

Offenbach (man) – Wer davon ablenken will, keinen Inhalt zu haben, der stellt die Leere am besten mit viel Tamtam dar. Dafür steht „Des Kaisers neue Kleider“, das Märchen von Christian Andersen.

Gemeinsam führten am vergangenen Freitag die Theatergruppe „Die Tuckerfrauen und Tuckermänner“ des Vereins Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach, die Kulturwerkstatt Goldbach und das Sickenhofer Laientheater im Ledermuseum Offenbach das Stück dazu auf.

Robert Maßholder leitet die Albrecht-Tuckermann-Wohnanlage in Langen, wo geistig Behinderte leben. Seine Frau Inge Lotz-Maßholder gehört zu den Initiatoren der Aufführung. Sie ist Mitglied im Förderverein der Wohnanlage und hatte gemeinsam mit Wolfgang Herz, Mitglied des Laientheaters im Babenhäuser Stadtteil Sickenhofen, die Idee, ein Stück aufzuführen, in dem geistig Behinderte und Gesunde miteinander auf der Bühne stehen.

Musikalische umrahmt

Die Aufführung umrahmte Inge Lotz-Maßholder an der Percussion zusammen mit Gisbert Büttner am Akkordeon musikalisch. Wolfgang Herz übernahm die Rolle des letztendlich nackten Kaisers. Angedacht war ursprünglich nur eine Aufführung. Doch weil die Inszenierung der Schauspielerin Franziska Bareins erst in Langen, dann auch in Erzhausen bestens ankam, entschied sich die bunt gemischte Truppe für eine weitere in Offenbach. Die Dr. Marschner Stiftung sponserte das inklusive Theaterprojekt mit 3.300 Euro.

Welcher Schauspieler ein Handicap hat und wer nicht, lässt sich oft nicht auf den ersten Blick erkennen. „Meister Faden“ versteht es glänzend, einen in die Irre zu führen. Bertram Preuß, der in der Albrecht-Tuckermann-Wohnanlage lebt, spielt einen der beiden falschen Schneider. Er bewegt sich und spricht wie die hessische Ausgabe von Heinz Erhardt. Als sein Kompagnon, der „Meister Strich“, den Dirk Herz mimt, irgendwann einen vermeintlichen Schluck aus der leeren Tasse nimmt, was er mit „schmeckt der Kaffee gut“ begleitet, kommentiert das Meister Faden trocken: „Da is doch nix drin.“

Bekannte Geschichte

Es wirkt wie eine ganz bewusst gesetzte absurde Note an der Stelle. Meister Faden drückt eine simple Wahrheit aus, während sich die Mitglieder der Hofstaats darin übertreffen, des Kaisers Kleider schön zu reden, die gar nicht existieren. Als Vertreter der Pariser Haute Couture hatten sich die beiden Hochstapler vorgestellt, bereit, dem Kaiser einen feinen Zwirn zu schneidern, den nur jene sehen können, die blitzgescheit und für ihr Staatsamt glänzend geeignet sind.

Wenn Behinderte und Gesunde miteinander schauspielern, wirkt ein Kommentar wie „welch tolle Leistung, trotz des Handicaps“, gänzlich verfehlt. Durch die geistig behinderten Schauspieler entsteht eine besondere Form von künstlerischer Authentizität. Auf der Bühne spielt sich etwas ab, das sich ansonsten nicht darstellen ließe.

Viel Text gelernt

Als Chronist führt Jan Bareins durchs Programm, der auch tänzerisch talentierte Gatte der Regisseurin. Dem Hofpoeten Hendrik Niemuth fällt es trotz Behinderung nicht schwer, die langen Texte auswendig zu lernen. Einer wie Niko Dorst, der als Finanzminister der Monarchie agiert, sorgt für den Refrain des Stücks, bei dem es ständig um die immensen Ausgaben für die Schneider geht: „Das ist zu teuer“, versucht der Kassenwart vergeblich, den Spleen des Kaisers durch fiskalische Argumente zu dämpfen.

Der Monarch wirkt weniger wie ein eitler Keck als sonst in Ausführungen des Märchens. Wolfgang Herz mimt ihn als depressiven Charakter, über Wochen nicht in der Lage, seinen Bademantel auszuziehen, geschweige denn sein Schlafzimmer zu verlassen. Der Kaiser setzt alle Hoffnung auf die neuen Kleider. Als der Regent im hautfarbenen Kostüm erscheint und schließlich der Ruf „der ist ja nackt“ erklingt, hält der peinliche Moment nicht lange an. Das Stück endet im Tanz. Der Kaiser wirkt wie erlöst.

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