Gute Laune kommt vom Singen Ein großer Chor in Offenbach unter freiem Himmel

Gesungen wird, was die Leute kennen. Von „Tagen wie diese“ der Toten Hosen bis zu „Hoch auf dem gelben Wagen“, das Volkslied, das Bundespräsident Walter Scheel einst zum Hit trällerte. Foto: Mangold

Offenbach (man) – Die gleiche Sache wird von einem zum anderen Ort manchmal anders genannt. Im Kreis Offenbach reden die Leute von „Rudel-Sing-Sang“. In der Stadt erklärt Jürgen Platt, der Vorsitzende des Vereins Lebenszeiten, vor dem Mehrgenerationen-Wohnhaus W 58 an der Weikertsblochstraße, heute sei kein Rudel-Sing-Sang angesagt, aber die Premiere von „Gute-Laune-Singen“ stünde auf dem Plan.

Egal: Eine passionierte Chorsängerin wie Ulrike Heng aus Obertshausen intoniert am Freitagabend trotz aller Stadtgrenzen auch in Offenbach mit, ganz gleich, wie sich die Geschichte hier nennt. Dieses Jahr feiert das W 58 seinen zehnjährigen Geburtstag. Die Mitbewohnerin Angela Michels brachte die Idee zum allgemeinen Sing-Sang ins Spiel. Sie nimmt regelmäßig am „Gute-Laune-Singen“ im Bücherturm an der Herrnstraße teil.

Zwei Mitarbeiter des Sponsors EVO hatten innerhalb einer Stunde die Bühne aufgebaut, für das fast schon traditionsreiche „Theater im Hof“ am Sonntag. Es bot sich alleine deshalb schon an, das Quartett von Gesang und Satire zu engagieren, das mit Gitarre, Schlagzeug, Keyboard und zwischendurch auch mal der Tuba ansonsten im Bücherturm das „Gute-Laune-Singen“ begleitet.

Der Moderator und Sangesbruder Detlef Regenberg teilt inhaltlich mit, was ansteht und erzählt außerdem die Geschichten, die hinter manchen Liedern stecken. Gesungen wird, was melodisch jeder kennt. Die Texte stehen auf der Leinwand.

Zu Beginn erklärt Regenberg, beim Gute-Laune-Singen sei es Usus, Du zueinander zusagen. Jeder solle sich dem Banknachbarn mit Vornamen vorstellen. Die nächste Weisung verursacht nicht bei jedem helle Begeisterung: „Regel Nummer eins: Wir singen im Stehen.“ Manchen fehlt die Lust zum Auf-und-nieder. Sie verweigern den Befehl. Für jene, denen das Stehen aus gesundheitlichen Gründen schwer bis unmöglich fällt, fühlen sich solche Momente ohnehin selten gut an.

Ansonsten liegt die Attraktivität des Gruppen-Singens in der Egalität. Wie lediglich nur so ungefähr manche Menschen beim Singen die Töne treffen, lässt sich trefflich vor jedem deutschen Länderspiel hören, wenn das Mikro beim Abspielen der Hymne an jedem Spieler langsam vorbeigeht. Im vierstimmigen Chor flöge mancher Kicker nach nur einer Probe aus der Mannschaft.

Beim Gute-Laune-Singen spielt Talent keine Rolle. Wer von Natur gut singt, darf sich freuen, wer stimmlich auch mal schwangt, bringt sich dennoch vollen Herzens ein. Deshalb trifft Moderator Regenberg mit Regel Nummer zwei diesmal auf allgemeine Zustimmung: „Wir vergeben uns.“

Nicht ganz getroffene Töne und wacklige Einsätze sind ausdrücklich gestattet. Aber man merkt, hier sitzen überwiegend Leute, die auf Regel Nummer zwei verzichten könnten. Scheppe Töne erklingen nirgends.

Interessant hört sich die Historie der „Capri-Fischer“ an, ein Evergreen von 1943 mit gänzlich harmlosen Text. „Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt“, hätte normalerweise auch jede Nazi-Zensur durchgewunken. Doch damals, erklärt Regenberg, saßen die Amis bereits auf der Insel, weshalb der Schlager keine Chance hatte, über den Reichsfunk Gehör zu finden.

Das Gute-Laune-Singen trägt den Titel nicht zu Unrecht. Am Rand schunkeln Familien ebenso wie Bewohner, die vom Balkon aus teilnehmen. Vor der Bühne tanzen Kinder zum mexikanischen „La Cucaracha“, was der Moderator mit „Kakerlake“ übersetzt. Es handelt sich jedoch um kein zoologisches Lied, sondern eines aus der mexikanischen Revolution, das einen versoffenen General beschreibt, der ohne Marihuana intus nicht mehr laufen kann. In Hof erklingt aber auch deutsches Volksliedgut.