Friedensdorf International ermöglicht Operation am Sana Klinikum Offenbach Hilfe für den siebenjährigen Arefullah

Arefullah kann schon wieder lachen. Um ihn kümmerten sich (von links) Cornelia Weber, Professor Henrik Menke und Dr. Thomas Pierson. Foto: p

Offenbach (red) – Es ist ein Horror-Szenario, das sich besonders Eltern kleiner Kinder gar nicht vorstellen wollen: Ein Dreijähriger fasst nach einem Gefäß mit heißer Milch, es fällt um, und die Milch ergießt sich über beide Hände und Unterarme des Kindes, das unter unvorstellbaren Schmerzen innerhalb weniger Sekunden schwerste Verbrühungen dritten Grades erleidet. Das heißt: die Haut ist vollständig zerstört.

Natürlich haben Arefullahs Eltern umgehend für Erste Hilfe und professionelle Behandlung der Verletzungen ihres damals dreijährigen Sohnes gesorgt, doch blieben letztendlich erhebliche Bewegungseinschränkungen an den Händen zurück.

„Die rechte Hand war komplett umgeschlagen und somit am Unterarm fixiert. Die Narben haben die rechte Hand wie ein Fäustling umschlossen, sodass Arefullah mit dieser Hand nur noch Wackelbewegungen durchführen konnte“, beschreibt Prof. Henrik Menke, Chefarzt der Klinik für Plastische-, Ästhetische- und Handchirurgie sowie des Zentrums für Schwerbrandverletze am Sana Klinikum Offenbach, das Ausmaß und die Folgen der Verbrühungen nach vier Jahren. „Auch mit seiner linken Hand konnte der Junge wegen seiner stark vernarbten Finger nur noch Wackelbewegungen durchführen. Er machte deshalb alles mit seinen Unterarmen. Wenn er zum Beispiel etwas tragen wollte, presste er den Gegenstand nur mit Hilfe seiner Arme an den Unterkörper.“

Keine Chance auf Heilung in Afghanistan

In Afghanistans ländlicher Provinz Ghazni, wo der Junge mit seinen Eltern und sechs Geschwistern lebt, hatte er keine Chance auf Besserung und wäre mit Sicherheit verkrüppelt geblieben. Die Operation beider Hände in seinem Heimatland ist nicht möglich, und im Ausland wäre sie für die Eltern unbezahlbar gewesen. Arefullah hätte sich wohl mit einer lebenslangen, schweren Behinderung abfinden müssen. Die Kinderhilfsorganisation ,,Friedensdorf International“ wählte den kleinen Patienten für eine Behandlung in Deutschland aus. Das Sana-Klinikum Offenbach übernahm die Kosten für Behandlung und Unterbringung.

„Um ihm zu deutlich mehr Lebensqualität zu verhelfen und weitere Schmerzen und dauerhafte Behinderungen zu vermeiden, haben wir mehrere plastisch- chirurgische Eingriffe zur Rekonstruktion der Hände vorgenommen. Die Behandlung wurde gleichzeitig an beiden Händen durchgeführt“, erläutert Prof. Menke das Vorgehen. „Wir haben die geschädigte Haut durch eine Kombination aus künstlicher Haut und Eigenhaut vom Oberschenkel ersetzt. Die Finger mussten vorübergehend mit Drähten fixiert werden um sie wieder strecken zu können.“

Tapfer stand er den Aufenthalt in der Fremde ohne seine Eltern und Brüder durch. Ärzte und Pflegekräfte der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin haben ihn während seines Aufenthalts liebevoll betreut. Täglich wurde er von Erzieherin Jutta Bach und einer ehrenamtlichen Betreuerin des Friedensdorfes, Adriana Basso, begleitet. In kürzester Zeit hatten alle den kleinen, aufgeweckten Patienten ins Herz geschlossen.

Vor einigen Tagen fuhr Arefullah ins Friedensdorf zurück, wo er weiter behandelt wird. Sobald er gesund ist, darf er dann endlich mit anderen Rückkehrern zu seiner Familie nach Afghanistan fliegen.

Enorme psychische Belastung

„Für den Jungen und die Familie war der von ‚Friedensdorf International’ organisierte Hilfsflug die letzte Chance auf eine Operation durch Spezialisten“, erläutert Professor Menke. „Dennoch ist es für ihn, wie für alle ähnlich betroffenen Kinder, auch eine enorme psychische Belastung. Die Kleinen reisen alleine nach Deutschland, verstehen die Sprache nicht und bekommen ungewohntes Essen. Viele kennen es auch nicht, alleine in einem Bett zu schlafen. Vor oder nach OP-Behandlungen in deutschen Krankenhäusern lernen alle Kinder, die ‚Friedensdorf International’ nach Deutschland holt, im ‚Dorf’ die wichtigsten Dinge, wie Hygiene, Rechnen und rudimentär die deutsche Sprache. Insgesamt sehen sich Eltern und Kinder etwa ein Jahr lang nicht“, sagt Prof. Menke.

Die 1967 als Bürgerinitiative gegründete humanitäre Organisation „Friedensdorf International“ ist aktuell in mehr als zehn Kriegs- und Krisengebieten aktiv und finanziert sich fast ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Um jährlich etwa 1000 kranke Kinder aus Armutsländern und Krisenregionen zur Behandlung nach Deutschland holen zu können, ist sie auf die Unterstützung von Krankenhäusern und Kliniken im gesamten Bundesgebiet angewiesen. Für viele Kinder ist ‚Friedensdorf International’ die einzige Chance, ein gesundes Leben führen zu können oder überhaupt am Leben zu bleiben.