Mehr als 150 Künstler öffneten ihre Ateliers Kunstansichten im Offenbacher Stadtgebiet

Seit Jahren fotografiert Hans-Jürgen Herrmann für seinen Zyklus „NeuliXt“ auf Ausstellungen. Aus Zuschauern und Exponaten schafft er eigene Kompositionen. Foto: Mangold

Offenbach (man) – Es dürfte niemandem gelungen sein, zwischen Freitag und Sonntag bei allen 63 Stationen der „Kunstansichten 2017“ zu erscheinen. An etlichen Punkten stellten gleich mehrere Künstler aus, wie etwa in den Zollamtstudios gegenüber dem Ledermuseum an der Frankfurter Straße oder im Atelierhaus B71 an der Bettinastraße.

Es lohnt sich, am Wilhelmsplatz 2 zu stoppen, im Kunsthaus Artycon, das Dorothea Terpitz betreibt. Hier stellt Franziska Möbius aus, die in Eisenach aufwuchs und an den renommierten Hochschulen in Halle und Leipzig Kunst studierte. Möbius und Terpitz kennen sich aus Leipzig, wo die Offenbacher Kunsthistorikerin vier Jahre eine Galerie betreute.

Optische Täuschung

Was beim Blick auf die Bilder von Möbius sofort auffällt, ist die handwerkliche Klasse. Wer im Artycon erscheint, unterliegt erst mal einer Täuschung. Das kleine Bild an der Wand gegenüber dem Eingang wirkt wie eine Plastik, auf der Fransen einer Gardine im Wind eine Welle schlagen und Schatten werfen. Es hängt jedoch ein flaches Bild an der Wand.

Wellen sind generell das Thema der Künstlerin. Ein Impuls, der sich rhythmisch weiterleitet, findet sich auch auf den Bildern wieder, deren Abbildungen wie Bambus-Stangen wirken. Im Hafenbecken steht von Möbius noch eine Installation mit dem Titel „Windwelle“ auf dem Wasser.

Das Komfortable an den Kunstaussichten liegt für den Betrachter in der Möglichkeit, sich zuvor über die einzelnen Künstler informieren zu können, um gezielt dorthin zu gehen, wo er sein Interesse vermutet. Ein paar Meter vom Wilhelmsplatz beleben seit 1991 Theaterschauspieler und bildende Künstler die Räume an der Bleichstraße 14 H. Dort liegt auch das Atelier von Andreas Masche, dessen Arbeiten einem in Erinnerung bleiben, wie seine Bilder der Kellergewölbe der Großmarkthalle im Frankfurter Ostend. Dort stand der Maler vor der Leinwand, bevor die Europäische Zentralbank bauen ließ.

An einem Ort, wo Arbeiter wuselten und lärmten, drücken seine Werke Stille aus. Das gelingt dem Maler mit dem Faible für die morbide Atmosphäre brach liegender Industriebauten auch bei seinen Bildern aus dem Inneren des verwaisten Badehauses von Clariant, wo er Duschen und Kacheln fotografierte und die Ergebnisse in aufwendigen Verfahren auf Papier projizierte, um sie anschließend mit Linien zu übermalen. Das Bild der Frau im Badeanzug mit Badekappe, die den Kopf wendet, wirkt wie eine letzte Rückschau.

Komposition aus Kunstwerk und Betrachter

In einer anderen Disziplin agiert Hans-Jürgen Herrmann, Gründungsmitglied des Projekts Bleichstraße 14 H. „NeuliXt“ heißt der Zyklus des Mannes, der mit seiner Kamera über Jahre Vernissagen besuchte. Herrmann, Werbefotograf im Hauptberuf, lichtete nicht simpel Exponate ab. Der Clou seiner Fotografien liegt in der Komposition aus Kunstwerk und Betrachter. Bei einem Bild dürfte so manchen Zuschauer das Gefühl beschleichen, „das kenne ich irgendwoher“. Stimmt, vom Messeturm in Frankfurt, wo der „Hammering Man“ des US-amerikanischen Künstlers Jonathan Borofsky steht. Während der Eröffnung der Ausstellung von Yasuaki Kitagawa in der Frankfurter Galerie Perpétuel gelang es Herrmann, vor einem überdimensionalen Uhrwerk die Silhouette eines Mannes aufzunehmen, dessen Körperhaltung dem „Hammering Man“ verblüffend gleicht.

Auf einem anderen Kunstwerk einer weiteren Ausstellung zielt ein Mann mit einer Pistole nach unten. Herrmann drückte genau in dem Moment ab, als ein Besucher auf der Höhe der Mündung vorbeigeht, die aufs Genick zielt. Obwohl Herrmann längst den Moment wittert, in dem sich etwas ergeben könnte, „bin ich von manchen Ergebnissen erst bei der Durchsicht zu Hause überrascht“.