Nachbarschaftshilfe geht durch den Magen Lauterborner Küche feiert dreijähriges Bestehen

Ohne sie würde in der Lauterborner Küche gar nichts in den Kochtöpfen brodeln: Dragica Hadzija (von links), Leiterin Ingrid Wittfeld, Larissa Schlegel, Tatjana Kravets und Larissa Schlegel. Foto: Mangold

Offenbach (man) – Armut gilt immer noch als Makel – das bestätigt auch Ingrid Wittfeld. Die Vertreterin des Caritasverbands erinnert an die ersten Monate der Lauterborner Küche. In der Nachbarschaft hatte es Bedenken gegeben, ob donnerstags im Stadtteilbüro an der Richard-Wagner-Straße nicht eine Armenspeisung eingerichtet werde.

Am Gründonnerstag ploppten zum dreijährigen Bestehen der Küche die Sektkorken. Christa Ellrodt bestätigt die Beobachtung Wittfelds. Die frühere Vize-Leiterin der Stadtbibliothek hatte vermutet, hier sollten ausschließlich die Bezieher von Sozialhilfe etwas auf den Teller bekommen. Den Verdacht bedingte der Preis. Ein ordentliches Mittagsmahlzeit samt Wasser, Kaffee und Kuchen gibt es schließlich nicht überall für 3,50 Euro. Das Essen bereiten Erika und ihre Schwiegertochter Larissa Schlegel zusammen mit Dragica Hadzija und Tatjana Kravets vor. Die führende Rolle in der Küche unterliegt dem Rotationsprinzip. Der Plan gilt für drei Wochen im voraus. Als Hauptsponsor agiert die Gemeinnützige Baugesellschaft Offenbach (GBO). Heute gibt es Wildschwein, zur Feier des Tages. Am Abend zuvor hatte Ingrid Wittfeld, die Leiterin des Gesamtprojekts „Aktiv altern in Lauterborn“, zwei Stunden das Fleisch fürs Gulasch mit Spätzle geschnitten. Dieter Jahn betont die Qualität: „Bio zu 100 Prozent.“ Feine Zungen können das schmecken. Dieter Jahn weiß Bescheid, weil er und seine Frau Gisela den Jäger kennen und dem Verein „Besser leben in Lauterborn“ angehören. Der Stadtteilclub spendet heute das Wildschweinfleisch.

Männer in der Minderheit

Die Jahns sind die einzigen, die donnerstags als Ehepaar erscheinen. Alle anderen sind alleinstehend, in der Mehrheit verwitwet. Auch Horst Michel. Als Mann gehört er der Minderheit an. Er wohnt gegenüber vom Stadtteilbüro, wo er regelmäßig Skat spielt. Hier erfuhr Horst Michel von der Lauterborner Küche. Seit dem Tod seiner Gattin kommt er fast jeden Donnerstag. Eine Frau, die alleine nicht mehr weite Strecken gehen kann, wird von einer Seniorenlotsin wie Roswitha Behr von zu Hause abgeholt. Eine ehrenamtliche Helferin wie sie springt auch ein, wenn es anderer Hilfe bedarf: Zum Beispiel einen nutzlosen Haustürvertrag wieder zu kündigen. Montags nachmittags und donnerstags vormittags bieten sich ehrenamtliche Seniorenlotsen im Stadtteilbüro als Ansprechpartner und Kümmerer an. Im Schnitt essen etwa 25 Gäste in der Lauterborner Küche. Letztlich ist der soziale Aspekt wichtiger als die reine Nahrungsaufnahme.

Deshalb schob Ingrid Wittfeld in der Anfangszeit einer möglichen Entwicklung ganz schnell den Riegel vor: In Lauterborn saßen plötzlich Leute am gedeckten Tisch, die aus anderen Stadtteilen stammten und eher der Kategorie „Schnäppchenjäger“ angehörten. Manche von ihnen fühlten sich dann gar noch motiviert, am Essen zu meckern. „Uns geht es vor allem darum, das Nachbarschaftsgefühl in Lauterborn zu stärken“, begründet Ingrid Wittfeld, warum sich nur Leute anmelden dürfen, die auch im Stadtteil wohnen.

Von den meisten Gästen hat die Leiterin eine Telefonnummer gespeichert, bei vielen auch von deren Angehörigen. Wenn jemand zweimal nicht erscheint, wird nachgefragt. Wer im Krankenhaus liegt, bekommt Besuch.